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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Sie hatte fünf Ringe im rechten Ohr und trug ein dickes schwarzes Brillengestell ohne Gläser. Außer blanker Feindseligkeit sah ich nichts in ihrem Blick.
    »Ich möchte zu Jean.«
    »Was Sie nicht sagen. Aber Jean ist nicht da.« Sie wollte sich zurückziehen, und ihre Hand legte sich begierig auf den Türknauf.
    »Moment«, sagte ich. »Wo ist sie?«
    »Weiß ich nicht«, sagte Alex. »Manchmal fährt sie einfach rum.«
    »Wo?«
    Sie kam wieder heraus und drängte mich auf die Veranda zurück. »Ich bin nicht ihre Kindergärtnerin. Sie kommt und geht. Wenn wir zusammen sein wollen, sind wir es, ansonsten lasse ich sie in Ruhe. Das ist ein Gratisratschlag für Sie.«
    »Aber ihr Auto ist da«, stellte ich fest.
    »Sie hat meins genommen.«
    Als ich sie so sah, sehnte ich mich nach einer Zigarette. Ich bat sie um eine. »Sind alle«, sagte sie. Mein Blick fiel auf die Packung in ihrer Brusttasche. Alex sah mich herausfordernd an.
    »Sie mögen mich nicht besonders, was?«, fragte ich.
    Ihr Ton blieb unverändert. »Ist nichts Persönliches.«
    »Was ist es dann?« Alex gab es seit fast zwei Jahren, und in der Zeit hatte ich sie vielleicht fünfmal gesehen. Jean sprach nicht über sie; sie sagte nicht, woher sie kam und was sie in den zwanzig-plus-ein-paar Jahren ihres Lebens gemacht hatte. Ich wusste nur, wo sie sich kennengelernt hatten, was Anlass zu ein paar ernsthaften Fragen gab.
    Sie musterte mich und schnippte ihre Zigarette auf die Erde vor der Veranda. »Sie sind schlecht für Jean«, sagte sie. »Das will ich nicht haben.«
    Ich war verblüfft. »Ich bin schlecht für Jean?«
    »Ganz recht.« Sie rückte ein Stück näher. »Sie erinnern Jean an schlechte Zeiten. Wenn Sie da sind, kann sie nicht loslassen. Sie ziehen sie runter.«
    »Das stimmt nicht.« Ich deutete in die Runde, auf alles einschließlich Alex. »Ich erinnere sie an glückliche Zeiten. An die Zeit vor dem hier. Jean braucht mich. Ich bin ihre Vergangenheit. Ihre Familie, verdammt.«
    »Wenn Jean Sie anschaut, sieht sie kein Glück. Sie sieht Schwäche. Mehr haben Sie nicht zu bieten. Sie sieht Sie und denkt an all die Scheiße, die in dem Backsteinhaufen gelaufen ist, in dem Sie aufgewachsen sind. An die Jahre, in denen sie erstickt ist an dem Scheiß Ihres Vaters.« Alex tat noch einen Schritt auf mich zu. Sie roch nach Schweiß und Zigarettenrauch. Wieder wich ich zurück und verachtete mich selbst dafür. Sie senkte die Stimme. »Frauen sind wertlos. Frauen sind schwach.«
    Ich wusste, was sie hier tat, und es schnürte mir die Kehle zu. Das war Ezras Stimme, waren seine Worte.
    »Ficken und blasen«, fuhr sie fort. »Hat er das nicht immer gesagt? Neben dem Haushalt können Frauen noch zweierlei. Was, glauben Sie, wie Jean sich dabei gefühlt hat? Sie war zehn, als sie es zum ersten Mal von ihm hörte. Zehn Jahre alt, Work. Ein Kind.«
    Ich konnte nicht antworten. Er hatte es nur einmal gesagt, soweit ich mich erinnern konnte, aber einmal war genug. Es sind Worte, die ein Kind nicht so leicht vergisst. »Stimmen Sie ihm da zu, Work? Sind Sie Daddys Sohnemann?«
    Sie beugte sich vor. »Ihr Vater war ein Scheißkerl. Ein Frauenhasser. Daran erinnern Sie Jean, und an Ihre Mutter, und wie sie es erduldet und sich benommen hat, wie Jean es auch tun sollte.«
    »Jean hat unsere Mutter geliebt«, schoss ich zurück. »Versuchen Sie nicht, das zu verdrehen.« Es war eine lahme Entgegnung, und das wusste ich. Ich konnte meinen Vater nicht verteidigen, und ich wusste auch nicht, warum ich mich dazu genötigt fühlte.
    Alex redete weiter, als spuckte sie mir ihre Worte ins Gesicht. »Sie sind ein Mühlstein an ihrem Hals, Work. Schlicht und einfach.«
    »Das sagen Sie.«
    »Nein.« Ihre Stimme war so flach wie ihr Blick, frei von Zweifeln oder Fragen. Ich sah mich auf der verwahrlosten Veranda um, aber dort fand ich keine Hilfe, nur ein paar abgestorbene Pflanzen und eine Schaukel, auf der Alex meiner Schwester wahrscheinlich ihre hasserfüllten Lügen eintrichterte.
    »Was haben Sie ihr erzählt?«, fragte ich.
    »Sehen Sie? Das ist das Problem. Ich brauche ihr nichts zu erzählen. Sie ist gescheit genug, um selbst draufzukommen.«
    »Ich weiß, dass sie gescheit ist.«
    »Sie benehmen sich aber nicht so. Sie bemitleiden sie. Sie sind herablassend.«
    »Bin ich nicht.«
    »Ich will das nicht«, fauchte sie, als hätte ich sie unterbrochen. »Ich habe ihr geholfen, das alles hinter sich zu lassen. Ich habe sie stark gemacht und ihr etwas gegeben,

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