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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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nickte: Ich war sicher, dass ich mir nichts eingebildet hatte.
    In der vergangenen Nacht hatte ich Ezras Schreibtischsessel vor die Brust bekommen. Mills konnte mich am Arsch lecken.
    Ich sah mich im Zimmer um. Jemand war aus einem bestimmten Grund hier gewesen.
    Ich setzte mich auf Ezras Stuhl, der jetzt mir gehörte, und legte die Füße auf den Schreibtisch. Ich suchte nach irgendeinem Zeichen. Was war hier so wichtig?
    Nachdem Ezra verschwunden war, hatten die meisten unserer Mandanten es auch getan. Ezra hatte sie umworben. Ezra hatte ihnen das Händchen gehalten. Er hatte die ganze Presse bekommen, und niemand ahnte, dass die Arbeit, die dahintersteckte, zum größten Teil von mir erledigt wurde. •Rein geschäftlich«, sagten sie und gingen mit ihren Akten zur erstbesten großen Kanzlei in Charlotte, die sie finden konnten. Ezras Tod hatte dort eine Menge Anwälte reich gemacht, und schon diese Tatsache hätte ihn umgebracht, wenn das nicht jemand anderer übernommen hätte. Er hasste die Anwälte von Charlotte.
    Und ich landete auf der Liste der Pflichtverteidiger und lebte von den Brosamen unter dem Tisch.
    Deshalb bezweifelte ich, dass jemand wegen seiner Akten hier oben gewesen war. Und um die Wahrheit zu sagen, es war mir egal, ob Mills die Akten bekam oder nicht. Da war nichts mehr. Ich hatte sie schon vor Monaten durchgekämmt und nach Brosamen gesucht. Ich wollte es ihr nur nicht so leicht machen.
    Dann fiel mir ein, warum ich am vergangenen Abend hergekommen war. Ich durchsuchte Ezras Schreibtisch, seine Aktenschränke, sogar die Beistelltische, die zu beiden Seiten des langen Ledersofas an der Wand standen. Nichts. Kein Revolver. Ich öffnete die Truhe unter dem Fenster, kniete mich auf den Boden und spähte unter seinen Schreibtisch. Ich ging wieder nach unten und suchte jeden denkbaren Platz ab, an dem man eine Waffe hätte verstecken können. Nach einer halben Stunde war ich sicher, dass mein Büro schusswaffenfrei war.
    Ich stieg die Treppe hinauf, bog oben um die Ecke und trat auf Ezras teuren Perser. Und sofort sah ich, dass etwas verändert war. Es war eine Kleinigkeit, aber sie sprang mir ins Auge. Ich blieb stehen. Ich starrte hin.
    Auf der anderen Seite des Zimmers, am Ende des langen Sofas, war die Ecke des Teppichs untergefaltet. Sie lag direkt in der Linie meines Blicks: Die Ecke, und mit ihr ein ungefähr dreißig oder vierzig Zentimeter langer Streifen der Fransen, war unter den Teppich gefaltet. Schnell ließ ich den Blick durch das Zimmer wandern, sah aber sonst nichts, das nicht an seinem Platz war. Ich ging quer über den Teppich zu der gefalteten Ecke. Sieben große Schritte, und dann spürte ich, wie unter meinem Fuß etwas nachgab. Ich hörte das leise Ächzen von Holz, das sich bog. Ich trat einen Schritt zurück und sah eine leichte Wölbung unter dem Teppich. Einen Schritt vor — und wieder knarrte es.
    Ich schlug den Teppich zurück und entdeckte, dass ein Teil der Bodendielen locker war: zwei breite Bretter, die sich an einem Ende kaum sichtbar hochbogen, als wären sie vom Alter oder durch einen Wasserschaden verzogen. Sie standen nur ein paar Millimeter höher als die anderen Dielenbretter, aber sie stießen nicht plan an die nächsten an. Es sah aus, als wären die Enden irgendwann noch einmal abgesägt worden; sie waren rau und immer noch hell. Die übrigen Dielenbretter waren fast schwarz vom Alter und die Fugen zwischen ihnen völlig dicht.
    Ich grub die Nägel in das weiße, raue Holz der abgesägten Enden und zog. Die Bohlen ließen sich mühelos anheben. Darunter fand ich einen Safe. Ich hätte nicht überrascht sein sollen — mein Vater war ein Mann mit Geheimnissen —, aber ich starrte den Safe doch eine ganze Weile an.
    Er war lang und schmal und lag zwischen zwei Bodenbalken. Die Frontseite war aus mattem Stahl, und rechts war eine Zifferntastatur. Ich kniete davor und betrachtete dieses neue Problem. Sollte ich Mills davon erzählen? Noch nicht, entschied ich. Nicht bevor ich wusste, was sich darin verbarg.
    Also versuchte ich ihn zu öffnen. Ich versuchte die Kombination zu erraten. Ich probierte jeden Geburtstag in der Familie aus, und auch jede Sozialversicherungsnummer. Ich versuchte es mit dem Datum von Ezras Zulassungsprüfung und mit dem Tag, an dem er meine Mutter geheiratet hatte. Ich versuchte es mit Telefonnummern, und dann gab ich alle diese Zahlen rückwärts ein. Eine halbe Stunde starrte ich den Safe fruchtlos an und drückte auf die Tasten,

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