Der König der Lügen
und dann hämmerte ich mit den Fäusten darauf ein. Ich schlug hart zu. Ich riss mir die Haut auf. Er glich so sehr meinem Vater: verborgen, stumm und undurchdringlich.
Schließlich ließ ich von dem harten Stahl ab. Ich drückte die Dielen wieder an ihren Platz und zog den Teppich glatt. Kritisch betrachtete ich die Stelle. Die Delle unter dem Teppich war noch da, klein, aber sichtbar. Ich trat darauf. Das Knarren war hörbar.
Ich ging hinunter in die Materialkammer. Auf dem obersten Regal fand ich den Klauenhammer und die Nägel, die wir benutzten, um Bilder und Diplome aufzuhängen. Die Nägel waren zu klein, aber hinten auf dem Regal entdeckte ich noch eine halbe Schachtel mit Ten-Penny-Nägeln — dicke, schwere Biester, mit denen man einen Sarg zunageln konnte. Ich nahm mir eine Handvoll. Oben hämmerte ich vier Stück in die losen Dielen, zwei in jede. Das Hämmern klang sehr laut, und ich schlug ein paarmal zu oft zu und hinterließ Narben auf den Dielen, wenn ich danebentraf. Zwei Nägel gingen glatt hinein, die beiden anderen verbogen sich beim Hämmern. Ich schlug sie platt. Als ich den Teppich wieder zurückschlug, war keine Delle mehr zu erkennen. Ich trat auf die Dielen. Nichts.
Ich legte den Hammer und die übrigen Nägel oben auf Ezras Bücherregal und ließ mich erschöpft auf die Couch fallen. Sie war tief. »Zum Schlafen für einen, zum Vögeln für zwei«, hatte Ezra einmal gesagt, und ich hatte diesen Scherz komisch gefunden. Jetzt war die Couch nur hart und kalt. Müde rappelte ich mich wieder auf. Als ich im Wagen saß, wischte ich mir mit dem Hemdsärmel über das Gesicht. Ich fühlte mich schlapp und zittrig. Ich schrieb es meinem Kater zu, aber insgeheim fragte ich mich, ob ich vielleicht aus dem Leim ging. Ich schaltete die Klimaanlage ein und legte die Stirn auf das harte Lenkrad. Ich atmete ein, ich atmete aus, und nach einer Weile richtete ich mich wieder auf. Ich musste etwas tun, musste mich in Bewegung setzen. Also startete ich den Motor und steuerte den Wagen in den spärlichen Verkehr hinaus.
Es war Zeit, mit Jean zu sprechen.
Bei ihr zu Hause hörte man immer die Züge kommen. Sie wohnte in einer ärmlichen Gegend der Stadt, neben den Bahngleisen, in einem Haus, das die Zeit nicht verschont hatte. Es war klein, weiß und schmutzig, und vorn war eine überdachte Veranda mit grünen Stahlrohrschaukelstühlen, wie die Schwarzen sie hatten, als wir klein waren. Ein verrosteter Öltank lehnte an der bretterverschalten Hauswand, und ehemals bunte Vorhänge wehten in dem unsteten Wind, der an den offenen Fenstern vorbeistrich. Früher war ich dort willkommen gewesen. Wir hatten im Schatten der Veranda Bier getrunken und uns ausgemalt, wie es sei, arm aufzuwachsen. Das war nicht schwer. Kudzu-Ranken wucherten über den Zaun, und eine Straße weiter war ein Crackhaus.
Ungefähr fünfmal am Tag kam ein Zug vorbei, so nah, dass man die Vibrationen in der Brust fühlen konnte, tief und im Gegentakt zum eigenen Herzschlag, und wenn die Sirene ertönte, heulte sie so laut, dass man seinen eigenen Schrei nicht gehört hätte. Der Zug machte die Luft körperlich spürbar: Wenn man die Arme weit genug ausbreitete, würde sie einen vielleicht umwerfen.
Ich stieg aus dem Wagen und schaute die Straße entlang zurück. Winzige Häuser kauerten schweigend da, im Nachbargarten lief ein angeketteter Hund in kleinen Kreisen auf der nackten Erde herum. Eine schäbige Straße, dachte ich und ging hinüber zum Haus meiner Schwester. Die Stufen bogen sich unter meinem Gewicht, die Veranda war schmutzig. Ein muffiger Geruch wehte aus dem offenen Fenster, und drinnen sah ich bucklige Schatten. Ich klopfte an die Fliegentür. Drinnen bewegte sich etwas, und ich hörte eine Frauenstimme. »Ja, ja. Ich komme schon.«
Die Tür ging auf. Alex Shiften blies mir Rauch entgegen. Sie lehnte sich an den Türrahmen und schaute an mir vorbei. »Sie sind das«, sagte sie.
Alex war ein Mensch von reinster Körperlichkeit. Sie trug abgeschnittene Jeans und ein Tanktop ohne BH. Sie war groß, schlank und breitschultrig und hatte ausgeprägt muskulöse Arme. Sie wirkte konzentriert, zielstrebig und wäre vermutlich imstande, mir den Arsch aufzureißen. Ich wusste, dass sie es gern versuchen würde.
»Hallo, Alex«, sagte ich.
»Was wollen Sie?« Jetzt sah sie mir endlich in die Augen. Die Zigarette baumelte an ihren Lippen. Ihr Haar war blond und kurz geschnitten über breiten Wangenknochen und schmalen, müden Augen.
Weitere Kostenlose Bücher