Der König der Lügen
stundenlang, wie mir schien. Keiner von uns sprach. Wir wussten es besser; solchen Frieden gab es selten, und er war zerbrechlich wie das Lächeln eines Kindes. Sie lag auf der Seite, an mich geschmiegt und ein Bein um meine geschlungen. Ihre Finger strichen träge über meine Brust und zu meinem Bauch hinunter. Ab und zu streiften ihre Lippen zart wie Federn meinen Hals.
Ich hatte den Arm um sie gelegt. Meine Hand lag unten in der sanften Kurve ihres Rückens. Über uns drehte sich der Deckenventilator, braune Blätter vor der cremeweißen Decke. Ein Windhauch strich zum Fenster herein und streichelte uns wie ein reumütiger Atem. Aber ich wusste, das alles konnte nicht so bleiben, und sie wusste es auch. Es war noch nie so geblieben. Wir würden anfangen zu reden, und mit den Worten würde sich auch die Wirklichkeit wieder unerbittlich hereindrängen. Ich kannte das Muster. Es fing kaum merklich an — ein unbestimmtes Kribbeln im Hinterkopf, als hätte ich etwas unerledigt gelassen. Dann erschien das Gesicht meiner Frau, unverhofft und schweigend, und das Schuldbewusstsein kam auf winzigen Füßen herangetrippelt. Aber es war nicht das schlechte Gewissen eines Ehebrechers; das war schon vor Jahren vergangen, zusammen mit Barbaras Lächeln.
Es war eine andere Schuld, geboren aus Dunkelheit und Angst in diesem übelriechenden Wasserlauf vor so vielen Jahren — an dem Tag, als wir uns kennenlernten, als ich mich verliebte, und als ich sie im Stich ließ. Diese Schuld war wie ein Krebsgeschwür, und unter ihrem Ansturm würde unser Kokon zerbröseln, und ich würde gehen und mich wieder dafür hassen, dass ich den einzigen Menschen auf der Welt, der mich liebte, benutzt hatte, und ich würde mir wünschen, ich könnte die Vergangenheit ungeschehen machen und mich ihrer Liebe würdig erweisen. Aber genau das würde ich niemals tun können, denn wenn die Schuld ein Krebsgeschwür war, dann war die Wahrheit eine Kugel im Kopf. Sie würde mich hassen, wenn sie davon wüsste. Also würde ich irgendwann gehen, wie ich es immer tat, und schon jetzt graute mir vor ihrem wunden Blick, wenn ich ihr sagte, ich würde sie anrufen. Sie würde nicken und lächeln, als ob sie mir glaubte.
Ich schloss die Augen und versank noch für eine Weile in diesem vergänglichen Glück, aber innerlich fühlte ich mich hohl, und eine kalte Faust umklammerte mein Herz.
»Einen Penny für deine Gedanken«, sagte sie. Es hatte angefangen. Doch das war okay. Ich hatte den Klang ihrer Stimme vermisst.
»Sie würden dir nicht gefallen«, sagte ich. Sie stützte sich auf einen Ellbogen und lächelte auf mich herab. Ich lächelte zurück. »Es sind düstere, schreckliche Gedanken.« Ich sagte es leichthin. »Gib sie mir trotzdem. Als Geschenk.«
»Küss mich«, sagte ich, und sie tat es. Ich würde ihr meine Gedanken schenken, wenigstens die, die sie ertragen konnte. »Du hast mir gefehlt«, sagte ich. »Du fehlst mir immer.«
»Lügner.« Sie umfasste mein Kinn mit einer Hand. »Dreckiger alter Lügner.« Sie küsste mich noch einmal. »Weißt du, wie lange es her ist?«
Ich wusste es: siebzehn Monate und knapp zwei Wochen, und jeder Tag eine Qual und eine Übung in Sehnsucht. »Nein«, sagte ich. »Wie lange?«
»Egal«, sagte sie. »Lass uns nicht weiter darüber reden.« Ich sah den Schmerz in ihren Augen. Das letzte Mal war ich in der Nacht bei ihr gewesen, als meine Mutter gestorben war. Noch immer konnte ich Vanessas Spiegelbild in der Fensterscheibe sehen, als ich in die Nacht hinausschaute. Da hatte ich versucht, die Kraft zu finden, ihr die Wahrheit zu sagen. Aber ihre Worte hatten mich daran gehindert. »Denk nicht an solche abscheulichen Dinge«, hatte sie gesagt, und ich hatte es nicht getan. »Ezra ist tot«, sagte ich. »Vor zwei Tagen haben sie seine Leiche gefunden.«
»Ich weiß. Es tut mir leid. Wirklich.«
Sie hätte das Thema niemals angesprochen. Auch in dieser Hinsicht war sie anders als alle andern. Aber so war sie immer gewesen. Sie drängte nicht, sie bohrte nicht, sie interessierte sich nicht für Details. Vanessa lebte im Augenblick. Darum hatte ich sie immer beneidet. Es war eine Stärke.
»Wie nimmt Jean es auf?«
Sie war die Erste, die mich danach fragte. Nicht danach, was passiert war. Nicht danach, wie ich es verkraftete. Sie dachte an Jean, weil sie wusste, dass das meine größte Sorge sein würde. Ich erschauerte, als ich sah, wie tief ihr Verständnis reichte.
»Ich habe Angst um Jean«, sagte ich.
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