Der König der Lügen
das wollte ich mir nicht weiter gefallen lassen. Ihre Stimme folgte mir.
»Und was ist mit Kindern?«, schrie sie. »Du wolltest immer gern Kinder haben!«
»Halt den Mund, Vanessa!« Meine Stimme brach bei diesen Worten. Ich wusste, sie hatte es nicht verdient, aber ich konnte jetzt nicht laut genug brüllen.
»Wessen Idee war das, he? Wessen Idee, Jackson? Dauernd hast du davon geredet. Jede Menge Kinder! Das hast du immer geplant — ein ganzes Haus voll Kinder, eine Familie, die du richtig großziehen könntest, um als Vater so zu sein, wie du dir Ezra gewünscht hast. Verdammt, Jackson. Lauf davor nicht weg. Es ist zu wichtig!«
Ich ignorierte sie. Mein Hemd lag auf dem Boden, und meine Schlüssel fand ich unter dem Bett. Ich zog die Schuhe ohne Socken an. Es war heiß und stickig im Haus; ich musste raus hier. Ich hätte gar nicht herkommen sollen.
Sie wartete unten an der Treppe.
»Geh nicht weg«, sagte sie. »Nicht so.«
Ihre Stimme und ihr Blick waren sanft, aber es würde nicht funktionieren. »Lass mich durch«, sagte ich. Sie trat auf die erste Stufe, und es wurde enger. Ich schaute auf sie hinunter und sah ihren Scheitel, die hellen Sommersprossen auf dem Nasenrücken, Augen, zu groß, um unschuldig auszusehen.
»Bitte, Jackson«, sagte sie. »Bitte. Es tut mir leid. Ich nehme es zurück. Bitte geh nicht.«
»Mach Platz, Vanessa.« Der Schmerz in ihrem Gesicht war wie ein Stich, aber ich konnte nicht aufhören. Das hier war ihr Kampf, nicht meiner.
»Jackson, bitte. Es hat so lange gedauert. Ich kann dich nicht wieder verlieren. Bleib hier. Trink noch ein Bier.« Sie griff nach meiner Hand.
Die Treppe fing an zu schwanken. Ich konnte nicht atmen, und ich wusste nicht, was mit mir los war. Ich brauchte Luft, ich musste raus hier. Ich schüttelte ihre Hand ab und drängte mich an ihr vorbei.
»Ich hätte nicht herkommen sollen«, sagte ich und stieß die Fliegentür so heftig auf, dass sie gegen die Wand prallte.
Ich spürte sie hinter mir, hörte ihre Schritte auf der Veranda und dann auf dem Kies. Sie atmete laut, und ich wusste, wenn ich mich jetzt umdrehte, würde ich Tränen sehen. Also drehte ich mich nicht um, marschierte weiter, und sie holte mich beim Wagen ein.
»Geh nicht«, sagte sie.
Ich drehte mich nicht um. Sie legte mir eine Hand auf die Schulter und die andere an den Hals, der immer noch heiß brannte. Sie legte das Gesicht an meinen Rücken, und ich zögerte. Nichts im Leben wünschte ich mir mehr, als jetzt zu bleiben. Aber sie wollte zu viel. Die Wahrheit war nicht meine Freundin.
»Bitte lass mich nicht betteln«, sagte sie, und ich wusste, was diese Worte sie kosteten. Aber ich drehte mich nicht um. Ich konnte es nicht — ein Blick auf sie, und ich würde bleiben. Und das wollte ich. Es brachte mich um. Wenn es möglich wäre, würde ich nie mehr fortgehen, doch ich brauchte meinen Zorn. Ich konnte ihn nicht aufgeben.
»Es tut mir leid, Vanessa. Ich hätte gar nicht herkommen sollen.«
Sie versuchte nicht mehr, mich aufzuhalten, als ich ins Auto stieg. Ich setzte zurück, ohne sie anzusehen. Ich fuhr zu schnell an; die Räder drehten im Kies durch. Ich hielt den Blick gesenkt und schaute erst auf, als ich kurz vor der Kurve war. Dann sah ich sie im Rückspiegel, auf den Knien im Kies, das Gesicht in den rauen Händen vergraben. Sie sah klein aus. Sie sah niedergeschmettert aus.
Mein Zorn versickerte, und ich war erschüttert bis ins Mark. Sie war die einzige Frau, die ich je geliebt hatte, und das war alles, was sie von mir hatte: eine Handvoll staubiger Tränen.
Guter Gott, dachte ich. Was habe ich getan?
NEUN
A n der Asphaltstraße hielt ich an. Mir war übel, als hätte ich eben auf einen kleinen Vogel getreten. Der Gedanke an das Geschehene war unerträglich, aber jetzt war er in mir, unentrinnbar. Ich fühlte ihre Tränen, ihre Finger, so leicht an meinem Hals, ihre Wange an meinem Rücken. Ich griff nach etwas Festem: dem Lenkrad, dem Armaturenbrett, der Uhr, auf der es kurz nach vier war. Ich atmete tief durch und legte den Vorwärtsgang ein. Dann fiel mir Detective Mills und unsere Drei-Uhr-Verabredung ein. Irgendwo zwischen dem Betrug an meiner Frau und der Vernichtung der Frau, die ich liebte, hatte ich sie vergessen.
Ich gab Gas. Schwarz glitt die Straße unter mir dahin. Ich erkannte einen Song im Radio und fragte mich, wann ich es eingeschaltet hatte. Ich drückte auf den Knopf, während die Hügel an mir vorüberglitten wie auf öligen Schienen
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