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Der König der Lügen

Der König der Lügen

Titel: Der König der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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diejenige war, die ihn erschossen hatte?
    Ich dachte an Vanessa, sah ihr Gesicht vor mir, wie ich es zuletzt gesehen hatte. Sie hatte mich rausgeworfen und ihre Tränen auf den Händen eines anderen Mannes vergossen. Würde sie vortreten, wenn ich sie darum bäte? Würde sie die Worte sprechen, die mich befreiten?
    Ich musste glauben, dass sie es tun würde. Was immer ich ihr angetan hatte, sie war eine gute Frau.
    Auf meiner Uhr war es kurz vor fünf. Ich sah mich in dem verwüsteten Büro um und überlegte, ob ich es aufräumen sollte, aber das hier war nicht mein Leben. Also schloss ich ab und ließ alles unberührt. Draußen waren die Wolken aufgerissen, und ein trübsinniges Licht sickerte hindurch. Die Leute kamen aus den Büros ringsum; sie machten Feierabend und gingen nach Hause zu den gleichen Träumen, die auch mir so viel bedeutet hatten. Niemand sprach mit mir. Niemand hob grüßend die Hand. Ich fuhr nach Hause und parkte vor Wänden, an denen die Farbe abblätterte, und Fenstern, so farblos wie sandgestrahltes Blei. Und als ich schließlich hineinging, war es, als beträte ich eine offene Wunde. Unser Bett war auseinandergerissen, mein Schreibtisch durchwühlt, und Kleider lagen auf dem Boden verstreut. In allen Zimmern der gleiche Anblick, und doch war jedes schlimmer als das vorige. Ich schloss die Augen und sah Mills mit ihrem selbstgefälligen Lächeln, als sie mich in der Einfahrt hatte stehen lassen, um diese langsame Penetration meiner Eingeweide fortzusetzen.
    Ich wanderte durch das Haus und berührte Dinge, die einmal persönlich und privat gewesen waren. Dann schlurfte ich in die Küche und nahm eine Flasche Bourbon und ein Glas herunter. Beim Einschenken verschüttete ich etwas, aber das war mir egal. Ich saß am Frühstückstisch und hatte das Glas halb leer getrunken, bevor mir klar wurde, was ich da vor mir auf dem Tisch sah. Ich knallte das Glas so hart auf den Tisch, dass der restliche Bourbon herausspritzte und in einem weiten, nassen Bogen auf der Zeitung landete, die Mills hier so sorgfältig für mich bereitgelegt hatte.
    Es war die Salisbury Post, und ich war auf der Titelseite. Nicht die Schlagzeile machte mich wütend, sondern die Tatsache, dass Mills die Zeitung hier hingelegt hatte, damit ich sie fand. Und diese so einfache Handlung war darauf angelegt, wehzutun. Sie hatte mich zu Hause erwischt, mit offener Deckung, und mich mit einer Fünfzig-Cent-Zeitung aufgeschlitzt.
    Mein Glas zerschmetterte an der Wand. Dann sprang ich auf.
    Der Autor hatte nur wenige Fakten zu bieten. Das meiste stand zwischen den Zeilen. Gegen den Sohn eines reichen, ermordeten Anwalts wurde ermittelt. Er hatte das Opfer als einer der Letzten lebend gesehen, und irgendwie war es ihm gelungen, die Spuren am Tatort zu verwischen. Und es gab ein Testament über fünfzehn Millionen Dollar.
    Nicht viel, dachte ich, aber mehr als genug für eine öffentliche Kreuzigung. Und bald würde es mehr geben, ergänzt durch jede wenig schmeichelhafte Information, die sie meinen Nachbarn und Kollegen entlocken könnten.
    Ich schaute die Zeitung an, und mir schwirrten kommende Schlagzeilen durch den Kopf.
    PROZESS GEGEN ANWALT ERÖFFNET... PLÄDOYER DER STAATSANWALTSCHAFT... SCHULDSPRUCH DER JURY IM MORDFALL PICKENS... URTEILSVERKÜNDUNG HEUTE...
    Das Telefon klingelte. Ich riss den Hörer von der Gabel.
    »Was!!« Brutal und kurz.
    Zuerst war es still, und ich dachte, niemand sei dran. Aber dann hörte ich ein feuchtes Schniefen und ein ersticktes Schluchzen.
    »Hallo«, sagte ich.
    Weinen. Schluchzen. Ein hilfloses, tränennasses Raunen, dann ein Wimmern, so hoch, dass ich es fast nicht hörte. Ich hörte ein dumpfes, rhythmisches Pochen, und ich wusste, es war Jean: Sie schlug den Kopf gegen die Wand oder wiegte sich so heftig vor und zurück, dass der Stuhl protestierte. Meine Probleme verschwanden in einem entlegenen Winkel.
    »Jean«, sagte ich. »Es ist okay. Beruhige dich.«
    Ich hörte, wie sie wild einatmete, als wäre ihre Lunge fast ausgedörrt und hätte doch noch den Mut zu einer letzten großen Anstrengung gefunden. Die Luft strömte hinein, und als sie wieder herauskam, brachte sie fast unhörbar meinen Namen mit.
    »Ja. Ich bin da. Ist alles in Ordnung?« Ich versuchte, ruhig zu bleiben, aber Jean hatte sich noch nie so schlimm angehört, und ich sah ihr Blut auf einem ausgetretenen Fußboden oder sprudelnd in heißem, rosarotem Wasser. »Sprich mit mir, Jean. Was ist los? Was ist

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