Der König der Narren
haben wir wirklich n i cht v e rdie n t !«
Sein schönes, kostbares Haus ung e schützt zurückzulassen, nicht nur seinen S ohn, sondern seine gesa m t e F a m ilie auf eine solche Reise m itzuneh m en, das ergab nur u n ter einer Voraussetzung einen Sinn: wenn Kunlas Vater nicht m ehr erwartete, h i erher zurückzukehren.
Natürlich e r wartet er d as nic h t, raunte die Stimme der Katze in ihrem Kopf, und der gelbe Kopf stup s te ihre Hand an, die reglos im Staub lag. Der Mann kann rechnen, und er weiß wesentlich mehr über das Nichts als der Rest von e u ch. Er glaubt, dass es hier ist, noch ehe er den Elfenbeinturm erreicht.
» W oher weißt du das ? «, stieß Res hervor.
Nun, ich habe natürlich versucht, ihn zu überzeugen, eine andere Richtung einzuschlagen und mich mitzunehmen, entgegnete die Katze, ohne auch nur m it einem Schnurrbarthaar zu zucken. Da du dir hier so lange Zeit lässt. Aber er will sich nicht ganz und gar pflichtvergessen vorkommen und denkt, dein Freund Kunla würde ihm nie verzeihen, wenn er nicht zumindest den Versuch macht, euch zu retten. Katzen sind da klüger. Unsere Jungen erwarten von uns nur, dass wir sie verteidigen, nicht die aus fremden Würfen.
»Du m einst, er hat uns alle abgesc h r iebe n ? Uns alle als Verlust abgeschrieben.« Seltsa m erweise war ihr nicht nach W ein e n zu m ute, nicht wie g estern, als ihre Mutter ihr Vorwürfe ge m acht hatte. S i e musste nic h t die klein s te Träne unterdrüc k en. Dazu tat es zu weh. Kunlas Familie und Kunla waren verschwunden, hatten nicht vor, nach Siridom zurückzukehren, und überließen alle ihrem Schicksal. Viell e icht h atte d e r Gildeherr, m it dem W issen, das er ih n en all e n vorenthielt, diese Flucht schon lange vorbereitet, und der letzte Tross verschaffte ihm nur den Vorwand, den er brauchte, um sich aus dem Staub zu m a chen. Das Aus m aß des Verrats schnürte ihr die Kehle zu.
Die Katze setzte sich auf ihren Schoß, und Res stellte fest, dass sie auf das Tier nicht böse war, obwohl es nach eigenem Bekunden genau das Gleiche beabsichtigt hatte. Die Katze hatte nie vorgegeben, etwas anderes als s elb s t s üchtig zu sein.
Res nahm s i e in die Ar m e und erhob sich. Ihre Beine ka m en ihr schwer vor, wie Steinklu m pen, d o ch sie zwang sich, Schritt f ü r Schritt auf Kunlas Haus zuzugehen. Die Rufe der Türpfosten hinter ihr ignorierte sie.
Das Innere des Hauses sah aus, als wäre es durchwühlt w orden wie ein Kasten voller Nadelhüte und Bindfäden. Nie m als hätte es Frau Aife freiwillig so zurückgel a ssen. An einer W and zeichnete sich ein riesiger heller Fleck ab, und Res erinnerte sich, dass dort ein schöner Teppich gehangen hatte, e i n Neujahrsgeschenk ihrer Mutter. Offenbar hatte er nicht zurückbleiben sollen. Statt sie zu besänftigen, m achte dieser Anblick s ie zor n ig.
Mit r a sche r en Schritten eilte sie in Kunlas Zim m er, das o r dentlicher wirkte als d er Rest des Hau s es, weil hier kaum etwas fehlte. Kunla konnte nicht viel m itgenommen haben. Sie kniete nieder, ließ die Katze los und nahm den Holzb l ock aus der Wand, hinter dem er im m er seine kostbarsten Schätze aus ihren ge m einsa m en Expeditionen versteckt hatte. Ihre Fingersp i tzen erta s t eten etwas Längliches, das von einem Perga m ent u m hüllt war. Sie zog es heraus und starrte auf den Do l ch aus Fenelin-Silber, den Kunla von seinem Vater zu seinem letzten Geburt s tag erh a lten hatte, als Zeichen, dass er nun bald die W e lt der Kinder verlassen würde. Dann entdec k te sie, d as s je m and das Perga m ent, eine alte Warenliste der Gilde, m it hasti g er Sch m ierschrift übersc h rieben hatte.
»Liebe Res«, stand dort in leuch t end grünen Buchstaben, grün wie Kunlas Haar, »ich sch w öre dir, dass ich es n i cht wusste. Gerade er s t habe ich es erfahren. A ber ich w e rde dafür sorgen, dass Va t er sein Versprechen hält und Hilfe holt. Deswegen m uss ich ihn begleiten; wenn er n i c ht zum El f enbeint u rm zieht, tue ich es selb s t. D er Dolch ist für Dich. Bis wir uns wiedersehen, Kunla.«
In ihr hob sich etwas, und sie kam sich nicht m ehr ganz so vor, als habe sie jemand in den Magen getreten. Tr o t zdem wünschte sie sich im m er noch, Kunlas Vater würde in den Nebeln der Ebene ersticken.
Die Katze beäugte den Dolch kritisch. Gut zum Fleischzerlegen, schnurrte sie, aber um sich zu verteidigen, sind Krallen besser. Krallen kann man nie verlieren. So ein Ding dagegen schon.
Res
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