Der König der Narren
Bienenstoc k s, an die W abe, in der die Königin sich aufhielt.
» W aru m ?«, fragte Palla s , als sie die s en Gedanken ein m al laut aussprach.
» W eil um uns herum nichts als Aufregung herrscht. W er in Siridom nicht d a m it beschä f tigt ist, in aller Eile den Tross für den Elfenbeint u rm zusam m enzus t ellen, kla t scht darüber, was die Gilde uns sonst noch verschwiegen haben könnte. Aber nicht hier. Hier herrscht nichts als Ruhe, und trotz d em spürt man, dass et w as in der Luft liegt, genau wie die Königin sicher die anderen Bienen und deren Gesumm spürt.«
»Darüber w eiß ich nichts«, entgegn e te Pallas. »Ich kann dir alle Teppiche hier nennen, auf denen Bienen dargestellt sind, aber gehö r t habe ich natürlich nie w elche.«
Pallas war wirklich wie eine Bienenkönigin, unentbehrlich, geschätzt und eingesperrt. Doch sel b st Bienenköniginnen durften ein m al i m Jahr fliegen.
Res verbot sich die Frage, ob es sich m it den übrigen W eberinnen denn anders verhielt, nur dass ihre Wabe größer war. »Lass uns nach draußen gehen, Pallas«, sagte sie abrupt und erfasste die weißen, starken Hände. »Du zeigst m i r hier so viel, und ich weiß, dass du m einer Mutter m einetwegen gut zugeredet hast. Lass m i ch dir auch etwas zeigen. W ir können sicher eine Pause machen; das alles hier läuft ja nicht davon.«
Mit einem Schwung, dem die überraschte Pallas sich nicht rechtzeitig widersetzte, zog sie die W e berin hoch. Zum ersten Mal, seit Res sie kennen gelernt hatte, klang P allas unsicher.
»Ich danke dir für die Absicht, Res, aber in der Sonne kann ich nicht leben.«
»Heute ist ein wolkiger Tag, und die Nebel haben sich immer noch nicht gehoben«, sagte Res beschwichtigend. »Es ist kaum heller als sonst am späten Abend. Und du kannst einen Mantel anziehen, der dich schützt.«
»Nein«, protestierte Pallas, und dies m al war es eindeutig F urcht, die ihre Stimme in die Höhe trieb. »Ich kann nicht.«
Res schwankte. Ein Teil von ihr dachte, dass es nur gut für Pallas wäre, wenn m an sie zwänge, nach draußen zu gehen. W enn sie lange genug darauf bestünde, würde sich Pallas schon beugen. Aber dann sagte sie sich, dass es Pallas’ E n tscheidung war; außerdem hatte sie ihr eine Freude m achen, nicht i h r Angst einjagen wollen. »Schon gut«, sagte sie schließlich und setzte sich wieder.
Auch Pallas ließ sich erneut auf den vertrauten Teppichstapel sinken und kehrte zu der zarten, weißen Ruhe zurück, die sie sonst i mm er u m hüllte. »Möchte s t du lie b er dort d rauß e n sein, um bei d e n Vorbereitu n gen zu helfen?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Res und zog die Schultern hoch. Früher hätte sie uneingeschränkt und sofort m it »ja« gea n twortet. »Ich möchte helfen, aber…«
Die Kluft zwischen der Gilde und den W eb e rinnen, zwischen Kunla und ihr, die ihr plötzlich bewusst geworden war, ließ sich so schwer in Worte fassen wie die u nbestim m t e Furcht, dass die Gesandtschaft von ihrer Reise zum E l fenbeinturm nicht rechtzeitig zurückkehren könnte.
» W arum hast du m i r nicht gesagt, dass es viele Verl o r ene Kaiser gab, nicht nur einen?«, fragte sie und wechselte das The m a,
»Viel e ?«, wiederh o lte P all a s verbl ü f f t. » W er hat dir denn das erzählt?«
»Eine Katze.«
»Ah. Nun, über Katzen weiß ich nichts. Man lässt sie hier nicht hinein, was du sicher verstehen wir s t. Aber kann es nicht sein, dass sie dich angelogen hat ? «
»Eigentlich hat sie keinen Grund d a zu«, sagte Res. »Du weißt also nichts von anderen Kaisern ? «
»Nein. Nur von dem einen.«
Sie erhob sich, dies m al aus ei g enem Antrieb, und verschwand in das völlige Dunkel. Als sie zurüc k kehrte, trug sie eine Rolle. Res sprang auf, während Pallas unendli c h vorsichtig einen sehr, sehr alten Teppich ausbreitete.
»Du darfst ihn berühren«, sagte sie leise.
Res sank in die Knie und spürte, wie ihre Fin ge rspitzen z itterten, als sie über dem Teppich schwebt e n. Dichte, ruh m -golddurchwirkte Blätter am oberen Rand, die kratzte n ; weiche, alte Seide, d i e entweder weiß oder silbern sein m uss t e; und immer wieder das unverwechselbare Gefühl von T r änenblau. U m die m eisten der übrigen Fäden benennen zu können, war sie noch nicht geübt genug. Nach einer W eile r ei m te sie s i ch z u sam m en, d a ss die Seide benutzt worden war, um die Kindliche Kaiserin und d e n Elfenbeinturm darzustellen. Am Ende, als der
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