Der König der Narren
Zerstörerin. Für Sandleute m öglich. Fleisch und Blut, nie m als.«
» W er sagt m ir, dass ihr nicht lüg t ?«, fragte Res, während ihr bei der Vorstellung, sich die Fingerk u ppe abzuhacken, fast schlecht wurde.
»Sandleute lügen nie!«
Das glaube ich ihnen sogar, sagte die Katze. Sie sind nicht gerissen genug dafür, sonst hätten sie längst Mittel und Wege gefunden, um ihre kostbaren Teppiche vor dir in Sicherheit zu bringen.
Sehr langsam, die Fackel im m er noch nur eine Haaresbreite von den Teppichen entfernt, ging Res in die Knie. »Katze«, sagte sie laut,
»nimm die Fackel in d ein Maul u nd halte sie hier, bis ich wiederkom m e. W e nn m i r irgendetwas ges c hieht, zünde die Teppiche an.«
Eine brennende Fackel? Was bin ic h , ein dummer Hund?
Komm schon her, Mie s epeter, dachte Res wütend. Wenn du jetzt nicht mitmachst, schaffen wir es nie aus dieser Wüste hinaus.
Die Katze m aunzte, und Res hörte sie in ihrem Kopf sagen: Und ich dachte, ich wäre dem Zirkus entkommen, als ich Phantásien betrat. Dann erhob sie sich geschmeidig, ging zu Res und nahm das Ende der Fackel in ihr Maul. Res r i chtete sich wieder auf und schaute den Leonesen ins Gesicht. W enn sie sich verschätzt h atte, dann würden sie s i ch jetzt auf sie stürzen. Aber die braunen, körnigen Gestalten rührten sich nicht.
Sie hatte den W eidenkorb bereits für die Reise zusam m eng e packt. Nun öffnete sie ihn wieder, nahm eines ihrer sauberen Tücher, wickelte etwas Faden von einem W o l l knäuel ab und s a m m elte sich. Dann nahm sie einen der Teppiche vom Stapel und ging zum Zelteingang.
» W eicht zurück«, befahl sie und h o ffte verzweifelt, dass nie m and ihr an m erkte, wie viel Angst sie h a tte. » W eicht alle zwanzig Schritte weit zur ü ck!«
Zu ihrer Überraschung gehorchten die Leonesen ohne das geringste Knirschen. Sie wartete, bis die S andleute weit genug entfernt waren, dann breitete sie den Teppich vor dem Zelteingang aus, holte den W eidenkorb herbei und leg t e Tuch und Bindfaden bereit.
Für einen Mo m ent schloss sie die Augen. Denk nicht darüber nach, sagte sie sich. Denk nicht d a rüber nach. Tue es einfach. Es muss sein.
Kunlas Messer, das sie an ihrem Gürtel trug, glänzte sehr hell im Sonnenlicht, als sie es zog.
Für m eine Mutt e r. Für Pallas. Für Kunla. Für uns alle.
Sie spreizte ihren rechten k l einen F i nger ab und schlug zu.
Im ersten Mo m ent spürte sie nichts. Dann k a m der Sch m erz, reißend und betäubend wie der Blutschwall, der aus ihrem Finger quoll. Mit der linken Hand presste sie das Tuch auf den Finger. Sie rief nach der Katze. Rote Funken tanzten vor ihren Augen. Sie versuchte die W unde abzubinden und begann zu schluchzen, als die Katze ihr auf den Schoß sprang.
»Teppich«, stieß Res m it letzter Kraft hervor, »flieg!«
Zuerst rührte sich nichts, und s i e dachte: Es w ar alles u m s onst. Bedrohliches Knirschen näherte sich ihr, und sie roch Rauch, starken Rauch. Dann blies ihr auf ein m al der W i nd ins Gesicht, und sie begriff, dass sie flog.
Die Richtu n g, m ahnte die Katze, du musst ihm die Richtu n g sagen!
»Nach W esten!«, rief Res. Inz w ischen konnte sie kaum m ehr sehen. Sie ließ sich auf den Teppich fallen, doch ehe ihr Sch m erz sie in die dunkle F l ut der Be w usstlosigkeit hinwegtrug, hörte sie unter sich die Flam m e n prasseln und die Sti mm e eines Leonesen m it der Macht eines Donnerschlags zu ihr e m porsteigen:
»Verfluchen dich! Verfluchen dich auf ewig!«
Da erst beg r i f f sie, dass die Kat z e die Fackel i n m itten der T eppiche fallen gelassen hatte, da m it d i e Sandleute zur Rettung der Teppiche eilten und ihnen einen sicheren Abgang er m ö glichten.
W ind und Kälte und ein du m pf pochender Schmerz in der Linken, während die rauhe Zunge der Kat z e über die andere Hand glitt.
Wach auf, sagte die Stimme der Katze. Res, du musst aufwachen.
Aber in der Bewusstlosigkeit war es besser. D ort gab es keine Qual, sondern nichts als stille Schwärze.
Wenn du nicht aufwachst, sterben wir alle!
W iderwillig ö ff nete Res die Augen. Über i h r fl ogen die W olken, viel, viel schneller, a l s sie es gewohnt war, und sie ka m en ihr so nahe vor, dass sie glaubte, sie berühren zu können. Dann fiel ihr wieder ein, wo sie sich befand. Der Kopf der Katze schob sich in ihr Blickfeld. Das sonst so gepflegte Fell w i rkte zottig, als hätte es je m and gegen den Strich gebürstet.
Res, sagte die Katze
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