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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Gruppe machte sich auf den Weg zurück nach Cheapside. Als sie den Platz vor der großen Kathedrale hinter sich ließen, konnten sie nebeneinander gehen. Trotzdem kamen sie nur im Schneckentempo voran, denn die Gicht der alten Dame war vom langen Stehen in der feuchten Kälte nicht besser geworden, und sie konnte nur in kleinen, sicher schmerzhaften Trippelschritten einherhinken.
    Sie sagte selbst, was Annot dachte: »Ich wäre besser zu Hause geblieben.«
    »Aber wer will so ein Spektakel schon versäumen«, entgegnete Crispin.
    Cecilia lachte verächtlich. »Mein Junge, wenn du dieses ›Spektakel‹ über siebzigmal gesehen hättest so wie ich, dannwürdest du wie ich davon träumen, es einmal versäumen zu dürfen. Aber wegen Jonah bringe ich es nicht übers Herz. Ich hoffe, Gott vergibt mir, wie stolz ich auf meinen Enkel bin, immerhin hat er mir in meinem Leben wenig genug beschert, worauf ich stolz sein könnte.«
    »Ja«, räumte Crispin bereitwillig ein, »Jonah hat wieder einmal großartig gespielt.«
    Cecilia nickte. »Hm. Er macht seiner Gilde Ehre. Das zählt, nichts sonst.« Crispin hatte nicht geahnt, dass die alte Dame die Schuldigkeit des Einzelnen der Gilde gegenüber so wichtig nahm, und er wurde auch gleich eines Besseren belehrt, als sie hinzufügte: »Die Gilde belohnt diejenigen, die ihr Ansehen mehren, weißt du.«
    »Womit?«, fragte Annot, die sonst selten wagte, das Wort an Cecilia zu richten. Doch die untypische Mitteilsamkeit, die die alte Dame plötzlich an den Tag legte, machte ihr Mut.
    »Mit Macht«, antwortete Cecilia. »Mit Einfluss. Sie macht ihre verdienten Söhne zu Liverymen, zu Wardens und zu Gildemeistern. Aus Gildemeistern werden Aldermen, so nennt man die Stadtväter. Aus den Reihen der Aldermen schließlich werden die Sheriffs gewählt und der Mayor – der Bürgermeister von London.«
    Crispin pfiff leise vor sich hin. »Ihr habt große Pläne mit Jonah, Mistress.«
    »Es sind nicht meine Pläne, sondern seine«, entgegnete sie ungehalten. »Endlich gibt es in dieser Familie wieder einen Mann mit einem Funken Ehrgeiz im Leib, Gott hat meine Gebete erhört. Und wenn du noch einmal in meiner Gegenwart auf der Straße pfeifst, wirst du dein blaues Wunder erleben, Bürschchen. Keiner von euch jungen Flegeln weiß mehr, wie ein Kaufmann sich benimmt!«
    Crispin schnitt eine verstohlene Grimasse. »Entschuldigung, Mistress.«
     
    Das Gildehaus der Tuchhändler lag in der St. Swithin’s Lane in Cheapside und hatte einmal dem allerersten Mayor der Stadtgehört, der es seinen Gildebrüdern als Versammlungsort für gemeinsame Gebete und Beratungen und Feste vermacht hatte. Es war ein großzügiges zweigeschossiges Holzhaus mit kleinen, bleiverglasten Fenstern, die Balken des Fachwerks waren reich geschnitzt. Es war nicht protzig und strahlte doch einen gewissen Wohlstand aus.
    An beiden Stirnseiten der Halle, die das ganze Erdgeschoss einnahm, brannten prasselnde Feuer in den Kaminen, und der große Raum war angenehm warm. Es war noch fast niemand dort bis auf das Gesinde, das die Vorbereitungen zum großen Festschmaus traf. Henry Fitzjohn, der Schatzmeister der Gilde, stand allein nahe des Eingangs, um die Gäste zu begrüßen.
    »Mistress Hillock! Eine große Ehre, Madam. Erlaubt, dass ich Euch an Euren Platz geleite.«
    »Danke, Henry. Es muss kein Ehrenplatz sein, Hauptsache warm.«
    Crispin trat zurück und überließ dem Schatzmeister den zweigdürren Arm der alten Dame. Dann folgte er ihr mit Annot zu einem der drei Tische, welche im rechten Winkel zu der hohen Tafel standen, die den Liverymen – der Oberschicht aus reichen Großhändlern der Gilde – vorbehalten war. Die langen Tische boten sicher mehr als zweihundert Menschen Platz, vermutete Annot. Trotzdem fragte sie skeptisch: »Und das soll reichen für alle Londoner Tuchhändler und ihre Familien?«
    »Na ja, längst nicht alle Londoner Tuchhändler«, sagte Crispin. »Nur die Freien.«
    »Freie?«, wiederholte sie verständnislos.
    Du meine Güte, bringt Elizabeth ihr denn gar nichts bei, fragte er sich verwundert und erklärte Annot, was in London jedes Kind wusste: »Nur gebürtige Londoner aus bestimmten Familien können in eine Zunft oder Gilde aufgenommen werden. Nur solche, die die Londoner Bürgerrechte genießen. Man nennt sie Freie. Und daraus ergibt sich natürlich, dass nur Freie Aldermen werden oder eines der anderen hohen Ämter in der Stadt bekleiden können, die Mistress Hillock vorhin erwähnt

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