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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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zum Reiten gehabt, denn dies war das erste Mal in seinem Leben, dass er eine Reise unternahm. Westlich und östlich hatte dieWelt für ihn bislang in West und East Smithfield aufgehört, er war nie weiter nach Norden gekommen als zu einem gelegentlichen Sonntagsausflug nach Mile End, nie weiter südlich als Southwark am anderen Themseufer. Doch auch das Reiten war eine der Disziplinen, zu deren Ausübung Vater Gilbert ihn und die übrigen Lehrlinge in der Bruderschaft ermuntert und angehalten hatte. Jonah hatte trotzdem nicht besonders viel Erfahrung und war zuerst erschrocken, als Robertson ihm den langbeinigen Rappen brachte.
    »Aber sein Sattel ist höher als mein Kopf«, hatte der junge Kaufmann protestiert.
    Der Inhaber des Mietstalls hatte ihn schallend ausgelacht. »Ihr seid jetzt ein reicher Mann, Sir, es geht nicht an, dass Ihr meine alte Schindmähre reitet. Nur Mut, es ist ein zahmer Kastrat, nicht so wild, wie er aussieht.«
    Jonah hatte zu seiner Erleichterung bald festgestellt, dass Robertson nicht gelogen hatte. Er hatte sich schnell an seinen Reisegefährten gewöhnt. Mit der Tatsache, dass er nun »ein reicher Mann« sein sollte, tat er sich weitaus schwerer.
    Als er die letzte Anweisung seiner Großmutter befolgt und Vater Gilbert den Ring gebracht hatte, hatte der Priester ihm lächelnd die Hand auf die Schulter gelegt und ihn zu seiner Weisheit beglückwünscht. Beim Leichenschmaus in Rupert Hillocks Halle nach Cecilias Beerdigung schließlich hatte Gilbert das Testament der alten Dame verlesen: Großzügige zehn Pfund vermachte sie der Tuchhändlergilde zur Unterstützung in Not geratener Mitglieder oder deren Witwen und Waisen. Je zehn Pfund an die Kirchen St. Mary Bothaw und St. Lawrence Pountney, um Kerzen in ihrem Andenken zu entzünden und Messen für ihre Seele zu lesen. Zehn Shilling zur Verteilung an die Bettler, die sich bei ihrer Beerdigung am Friedhofstor einfanden. Diese insgesamt dreißigeinhalb Pfund waren schon weitaus mehr, als irgendwer an Erbmasse erwartet hatte, denn Cecilia hatte seit dem Tod ihres Gatten in aller Bescheidenheit im Haushalt erst ihres Sohnes, dann ihres Enkels gelebt, hatte, soweit irgendwer wusste, nie eigene Geschäfte betrieben, warimmer schlicht gekleidet gewesen und hatte keinen nennenswerten Schmuck getragen. Doch sprach das Testament noch von einem nicht näher bezeichneten »restlichen Vermögen«, das sie Jonah hinterließ.
    Rupert Hillock brummte missfällig. Es war ihm keineswegs neu, dass ihre Großmutter Jonah immer vorgezogen hatte. »Wie viel ist es?«, hatte er Vater Gilbert gefragt.
    Der Priester hatte mit gerunzelter Stirn nochmals das Testament konsultiert und dann zu Jonah, nicht zu Rupert geblickt. »Vierhundert Pfund und ein Haus in der Ropery.«
     
    Jonah hatte nur bruchstückhafte Erinnerungen an die Stunden danach. Elizabeth war hysterisch geworden, das wusste er noch. Es war schauderhaft anzusehen. Sie hatte angefangen zu lachen, rote Flecken brannten auf ihren Wangen, und das Lachen wurde immer schriller, bis Rupert sie schließlich an den Schultern packte und schüttelte. Da war sie wieder zu sich gekommen, hatte Jonah einen so hasserfüllten Blick zugeworfen, dass er trotz der Sommerhitze eine Gänsehaut bekam, und war hinausgelaufen. Crispin hatte ihm sprachlos die Schulter geklopft, ihn mit strahlenden Augen angeschaut und genickt und genickt. Rupert hatte sich betrunken.
    Vater Gilbert war in den ersten Tagen danach Jonahs wertvollster Berater gewesen. Mit ihm zusammen war Jonah in die Ropery gegangen und hatte das Haus besichtigt, das seine Großmutter in aller Stille gekauft hatte. »Haus« wurde dem Objekt nicht ganz gerecht, hatten sie festgestellt. Es war eine Kaufmannsvilla mit großen Lagerräumen und einem weitläufigen Innenhof. Als Jonah es sah, fing er zum ersten Mal an, Pläne zu machen. Dieses Haus bot schier unbegrenzte Möglichkeiten für einen ausgedehnten Handel sowohl mit Wolle als auch Leinen und Seide. Auf dem Grundstück war reichlich Platz, um Werkstätten zu bauen und an Handwerker zu verpachten. Wäre er doch nur frei und sein eigener Herr …
    »Du könntest mit den Gildeoberen reden und sie bitten, dich vorzeitig von deinem Lehrvertrag zu entbinden«, hatte VaterGilbert ihm eröffnet. »Meiner Fürsprache könntest du sicher sein.«
    »Ist das wahr?«
    »Ich sehe nicht, was dagegen sprechen sollte. Freilich muss auch Rupert seine Zustimmung geben.«
    »Darauf kann ich lange warten, Vater«, hatte Jonah

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