Der Koenig geht tot
gesetzt und ist hinter seinem Neffen hergefahren, jedenfalls hat Jürgen das vermutet.«
»Was Sie da sagen, ist sehr wichtig«, warf Max ein. »Frau Hebel, Sie sollten diese Geschichte unbedingt der Polizei erzählen. Ich selbst kann ja nicht«
Es war, als hörte Karin Hebel gar nicht zu. Sie unterbrach Max und sprach weiter:
»Als eine halbe Stunde später die Polizei auftauchte und den Vorstand über Königs Tod informierte, da konnte Jürgen sich natürlich zwei und zwei zusammenreimen. Aber anstatt seine Beobachtungen der Polizei mitzuteilen, schwieg er. Nein, schlimmer noch. Er gab Gerhard Streiter ein Alibi, indem er behauptete, er habe ihn in der letzten Zeit irgendwo gesehen. In Wirklichkeit hat er Streiter erst kurz nach Eintreffen der Polizei wiedergesehen, und zwar in einem ziemlich aufgewühlten Zustand.«
»Warum hat Ihr Mann ein falsches Alibi gegeben?«
»Na, warum wohl? Sie kennen doch unsere finanzielle Misere. Er sah eine Möglichkeit, an Geld zu kommen. Er wollte Gerhard Streiter erpressen.«
»Hat der denn so viel Geld, daß sich eine Erpressung lohnt?«
»Das habe ich Jürgen auch gefragt. Aber er meinte, er würde sich das Geld schon da holen, wo es zu holen sei, und ich wüßte sowieso schon viel zuviel. Es sei zu gefährlich, wenn ich Genaueres wisse.«
»Wissen Sie, ob es zu der Erpressung gekommen ist?«
»Jürgen hat sich da in Schweigen gehüllt. Es kam alles zusammen. Jupp Baumüller mit seinen dämlichen Kassenbüchern und die Verdächtigungen der Schützenbrüder. Am Dienstag dann hat sich Jürgen Urlaub genommen. Er ist ganz früh morgens abgefahren und erst nach Mittemacht zurückgekommen. Er hat mir nicht gesagt, was los war, nicht mal, wo er hingefahren ist. Aber ich habe auf den Zähler am Auto geguckt er muß mehr als zwölfhundert Kilometer gefahren sein. Am Freitag abend ist er dann nicht von der Arbeit nach Hause gekommen.«
»Frau Hebel, ich sage es nochmal. Sie müssen all das der Polizei erzählen!« Beinahe hätte Max noch etwas hinzugefügt. Wenn Karin Hebel eher damit rausgerückt wäre, könnte ihr Mann vielleicht noch am Leben sein und Max wäre eine ziemlich dicke Beule erspart geblieben.
40
Ich konnte mir beileibe etwas Schöneres vorstellen als jetzt in der abendlichen Schwüle durch die Felder zu latschen. Aber trotzdem immer noch besser als mich vom Obstkisten-Chef chauffieren zu lassen und ihm für seine unbändige Güte danken zu müssen. Osterfeld hatte es zwar etwas befremdlich gefunden, daß ich den Heimweg lieber zu Fuß als mit ihm zurücklegen wollte, da seine Firma in der Tat ziemlich weit außerhalb lag. Aber dann hatte er es doch hingenommen, zumal er, wie er sagte, noch ein paar Papiere durchsehen müsse.
Inzwischen ging auch ein leichtes Lüftchen, das bei der Schwüle des Tages auf ein herankommendes Gewitter schließen ließ. Ich nahm das dankbar zur Kenntnis, da mein Hemd inzwischen ziemlich durchgeschwitzt war.
Das herankommende Auto sah ich schon von weitem. Keine Kunst, da es mit Vollgas den Feldweg entlangheizte. Ich spekulierte, daß hier ein Sechzehnjähriger in der Pampas seine ersten Fahrübungen absolvierte. Wahrscheinlich hatte ihn die Schwüle zu dieser ausgelassenen Fahrweise verführt. Sicherheitshalber stellte ich mich hinter einen Baum. Ich konnte mir angenehmere Todesarten vorstellen, als von einem übermütigen Clerasil-Benutzer umrasiert zu werden. Der Wagen brauste vorbei. Ich staunte. Von wegen Clerasil. Von Corega Tabs konnte hier wohl eher die Rede sein. Das Auto raste auf das Osterfeldsche Firmengelände und hielt dort mit quietschenden Reifen. Ich rechne es heute meiner Spürnase zu, daß ich nicht unbeobachtet lassen wollte, was jetzt bei Osterfeld passierte. Ganz offensichtlich »brannte« es irgendwo. Entweder war mit den Feierlichkeiten für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes etwas nicht in Ordnung oder es drohten noch ganz andere Gewitter.
Der Fahrer war schon um den Bürotrakt herum verschwunden, als ich das Tor zum Firmengelände passierte. Von jetzt an war ich vorsichtig. Wenn ich etwas mitbekommen wollte, dann mußte ich mich versteckt halten. Den Autos auf dem Parkplatz nach zu urteilen, waren wirklich nur noch Johannes Osterfeld und sein gerade gekommener Besucher auf dem Gelände. Folglich würde man es sich wahrscheinlich im Chefbüro gemütlich machen.
Meine Anschleichaktion muß eine gewisse Ähnlichkeit mit der meines Freundes Robert gehabt haben. Wie auch immer, ich erreichte
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