Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
aussprechen durfte. Es genügte, diese Hände ein wenig länger zu betrachten, als könne der Blick sich von etwas so Reizendem gar nicht lösen. Offen gestanden, sosehr ich ihre unerhörte Tatkraft bewunderte, eine ihrer Provinzen nach der anderen zu befrieden, indem sie bei jedem Wetter, auf schlechten Straßen Meilen um Meilen zurücklegte, besorgte mich doch auch, daß ihre andauernden Wallfahrten sie zu sehr ermüden könnten. Und wenn wir sahen, wie blaß sie trotz ihrer Schminke war und wie unsicher manchmal ihr Schritt, raunte Fogacer mir zu, sie sollte aufhören, sich dermaßen zu schinden, es gehe sichtlich über ihre Kräfte.
Und wirklich, als wir in einem Dorf der Guyenne die Messe besuchten, die ihr zu Ehren ein bißchen sehr lange dauerte, wankte sie, als sie aus der Kirche ins Freie trat, und sank ohnmächtignieder. Ohne die beiden Offiziere der königlichen Garde, die sie zu ihrer Sicherheit rechts und links flankierten, wäre sie zu Boden gefallen. Man trug die Königin zum nahe gelegenen Pfarrhaus, und Fogacer eilte ihr zu Hilfe, gefolgt von Babelon. Zuerst wuschen sie sich die Hände, was die Ärzte selten taten (und sehr zu Unrecht, wie mein Vater sagte), dann beschlossen sie, Ihre Majestät zur Ader zu lassen. Doch Fogacer konnte die Vene nicht finden, die er dafür benötigte, so zart war sie, und überließ die Suche Babelon, der die Unauffindbare im Nu entdeckte, was er sich zum ewigen Ruhm anrechnete.
Was mich anlangt – und ich bitte meine schöne Leserin, mir zu verzeihen, sollte sie mein Zartgefühl zu bemängeln haben – , so fragte ich Fogacer nachher
sotto voce
, ob er die entkleidete Königin ebenso schön gefunden habe wie die angekleidete. Worauf er erwiderte: »Ich habe nicht darauf geachtet.« Und das nicht etwa aus Scham, es war die Wahrheit! Er hatte gar nicht drauf geachtet, der Elende!
Als nun die Königin bereits wieder angekleidet wurde, kam der Arzt des Staatsanwalts und wollte um jeden Preis einen zweiten Aderlaß vornehmen. Ich widersetzte mich dem mit Vehemenz, ebenso Fogacer, was einen heftigen Wortwechsel auslöste, in dem die Ärzte sich auf lateinisch stritten. Ich mischte mich ein und behauptete laut und deutlich, der ehrwürdige Doktor der Medizin und Domherr Fogacer sei, außer daß er seine Studien an der Medizinschule zu Montpellier, der besten der Welt, absolviert habe, amtlich betraut, die Königin zu behandeln (was eine blanke Lüge war, die der Herrgott mir verzeihen möge), und sie habe vollstes Vertrauen zu ihm. Zum Glück war die Königin eine jener starken Frauen, von denen in der Heiligen Schrift die Rede ist, und erklärte, das sei viel Lärm um nichts, sie wolle jetzt essen, ein gutes Glas Wein trinken und dann schlafen gehen. So geschah es, und tatsächlich war sie tags darauf wieder auf den Beinen.
***
»Monsieur, einen Augenblick, bitte!«
»Schöne Leserin, ich höre.«
»Monsieur, ich muß Ihnen, mit Verlaub, sagen, daß Sie das
gentil sesso
zu sehr lieben. Das beeinträchtigt Ihr Urteil.«
»Glauben Sie? Nennen Sie mir ein Beispiel.«
»Das Porträt, das Sie von Anna von Österreich malen, ist allzu schmeichelhaft. Sie scheinen vergessen zu haben, daß sie durch und durch Spanierin war und den König von Frankreich mehr als einmal zugunsten ihrer Familie verriet.«
»Aber, liebe Freundin, das ist doch Vergangenheit! Ich habe nun mehrfach gesagt und betont, daß Anna seit Ludwigs Geburt ganz zur Französin geworden war.«
»Und wie Sie jetzt ihre schönen Hände preisen!«
»Oh, mit diesen schönen Händen glättet sie höchst anmutig ihre Haare. Sie schminkt sich sparsam. Nur ein wenig Rot auf den Lippen, das ist alles. Kein Bleiweiß, kein Rouge auf den Wangen. Und vor allem badet sie alle Tage, von Kopf bis Fuß.«
»Ich doch auch!«
»Schöne Leserin, Sie leben heute, aber zu jener Zeit wusch man sich kaum.«
»War sie eine gute Mutter?«
»Excellentissime, wie Richelieu gesagt hätte. Ganz im Gegensatz zu der Medici, die für den armen Ludwig XIII. eine lieblose und niederdrückende Mutter war, ist Anna in ihre beiden Söhne geradezu vernarrt.«
»Ohne zwischen Ludwig und Philippe einen Unterschied zu machen?«
»Nein, nur daß sie ein Armband trägt, das aus Haaren ihres Ältesten geflochten ist … Aber am Morgen kommen immer beide Brüder gemeinsam ihrer Mutter im Bett einen guten Tag wünschen, und denken Sie nicht, daß das kalt und protokollarisch geschähe. Ganz im Gegenteil. Das ist ein Geküsse und Geschmuse.
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