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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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übereinander hergefallen wären, wäre Beringhen nicht abermals eingeschritten. Hierauf ließ die Königin die feindlichen Brüder trennen und jedem sein eigenes Zimmer geben. Sie waren einer wie der andere überglücklich. Doch bald stellte sich ein neues Problem. Ludwigs Kammerfrauen meldeten der Königin, daß sie auf den Laken des Königs unleugbare Spuren seiner erwachenden Männlichkeit gefunden hatten.
    Anna wußte nicht, ob sie sich über diese Neuigkeit betrüben oder freuen sollte. Natürlich war ihr klar, daß ihr Sohn eines Tages ein Mann sein würde, wodurch sie aber ihr Kind verlor. Sie eröffnete sich Mazarin, und seine Antwort war unmißverständlich.
    »Madame«, sagte er, »bedenkt Euch nicht lange, legt ihm eine Frau ins Bett! Es ist die einzige Lösung.«
    »Ihm eine Frau ins Bett legen? Niemals! Und das rät mir ein Kardinal?«
    »Ja, Madame, das rät Euch ein Kardinal! Habt Ihr vergessen, daß der Herrgott Onan mit einem Blitz erschlug, weil der seinen Samen aufs Erdreich vergossen hatte? Oder ist es Euch lieber, daß Euer Sohn, wenn er nur mit Knaben umgeht, zum Schwulen wird?«
    »Aber eine Frau ohne Vermählung?«
    »Das ist in der Bibel nichts Ungewöhnliches, und ich erteile ihm jedenfalls die Absolution.«
    »Aber eine Frau! Eine Frau für meinen Sohn!«
    »Madame, es ist Eure unsinnige mütterliche Eifersucht, die Euch zaudern macht. Überwindet sie und trefft unverzüglich eine Wahl.«
    Die Königin traf eine Wahl, und in ihrer Eifersucht bestimmte sie zur Initiatorin Madame de Beauvais, die am Hof die »Bor gnesse «, die Einäugige, genannt wurde, weil sie tatsächlich nur ein Auge hatte, was sie nicht eben verschönte und die Liebhaber verschreckte. Außer dieser wenig ermutigenden Häßlichkeit litt sie aber – was die Königin nicht wußte – an einer Geschlechtskrankheit, mit der sie Ludwig ansteckte und von der er erst nach über einem Monat genas. Als er endlich aufstehen konnte, war sein erstes Wort an seine Mutter: »Bitte, Madame, enthaltet Euch fortan, mir meine Frauen zu beschaffen. Künftig wähle ich sie mir selbst.«
    Anna schluchzte bei diesen strengen Worten, doch diesmal nahm Ludwig sie nicht tröstend in die Arme und verließ nach rein protokollarischem Gruß mit großen Schritten den Raum.
    »Beachtet«, sagte Beringhen mir später, »daß Ludwig von ›meinen Frauen‹ gesprochen hat, was ja wohl bedeutet, daß eine ihm nicht genügt, sehr ähnlich darin seinem Großvater, der von einem Unterrock zum anderen flatterte.«
    »Beringhen«, sagte ich, »warum sagt Ihr nicht, daß unser Ludwig von einem Reifrock zum anderen flattern wird?«
    »Die großen Damen, Monseigneur, die ihm dereinst aus einleuchtendem Grund Avancen machen und Zärtlichkeiten antragen werden, sehen ihre Rolle heute noch nicht darin, ihn einzuweihen, schließlich obliegt derlei in ihren Familien stets einer Kammerzofe. Unsere höfischen Damen würden meinen, sich etwas zu vergeben, wenn sie eine solche Rolle spielen würden, und sei es auch bei einem großen König.«
    Mit dem vollendeten dreizehnten Lebensjahr, am siebentenSeptember 1651, wird Ludwig XIV. für großjährig erklärt. Er hält seinen Einzug in Paris inmitten seiner Kavaliere, deren Pferde goldgestickte Schabracken tragen. Daran erkennen Sie bereits, wie der König selbst angetan war, sein Anzug glänzte dermaßen von Gold, daß man das Gewebe nicht mehr sah. Im übrigen nahm er sich wunderschön aus, und den Hut in der Hand, grüßte er mit Grazie und ausnehmend königlicher Würde seine Untertanen. Die Mutter des Königs folgte in einer Karosse mit Philippe, seinem Bruder, und Gaston von Orléans, seinem Onkel. Leser, vergiß bitte nicht, daß man der Tradition gemäß den Bruder des Königs »Monsieur« nannte, welches der Titel Gastons war, des Bruders von Ludwig XIII., und demgemäß hieß nun Philippe, der Bruder des regierenden Königs, fortan »der kleine Monsieur«, ein unzweifelhaft protokollarischer Titel, aber für den, der ihn trug, ein wenig herabsetzend.
    Das Ziel dieses königlichen Einzugs war nicht allein, den Franzosen den König von Frankreich in seinem ganzen Glanz vorzuführen, sondern auch sich zum Obersten Gerichtshof zu begeben, vor dem die Regentin ihre Macht an den regierenden König abtrat.
    Dies tat sie mit viel Eleganz und Würde, ohne übermäßig ihre schlanken Finger spielen zu lassen. Für mein Gefühl lag ein gewisses Beben in ihrer Stimme, als sie ihrem Sohn »mit großer Genugtuung« die Macht

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