Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
übergab, kraft deren sie das Reich bis zu seinem Antritt regiert hatte.
Was mich angeht, bezweifelte ich, daß sie so »große Genugtuung« empfand, der Macht zu entsagen, die sie doch auch sehr geliebt hatte. Und Ludwig mag das gleiche Gefühl gehabt haben, denn in seiner Erwiderung enthielt er sich nicht, die Dinge für die Zukunft behutsam klarzustellen.
»Madame«, sagte er, »ich danke Euch für die Sorgfalt, die Ihr meiner Erziehung und der Verwaltung meines Reiches beliebtet angedeihen zu lassen. Ich bitte Euch, mir weiterhin beratend zur Seite zu stehen, und wünsche, daß Ihr nach mir das Oberhaupt meines Kronrates seid.«
Dieses »nach mir«, ausgesprochen vor dem Gerichtshof, vor einem aufmerksamen Publikum, erlaubte keinen Zweifel daran, wer in diesem Reich fortan alles entscheiden werde. Nun, die Konfrontation mit den Großen ließ nicht auf sich warten. Im Glauben, der Teig sei weich, wollte der anmaßende Condéhineinbeißen und biß sich die Zähne aus. Folgendes geschah. Auf den Rat seiner Mutter hatte der neue König Châteauneuf, Molé und La Vieuville zu Ministern erwählt, alle drei vortrefflich auf ihren jeweiligen Gebieten und zudem bereits erprobt.
Condé bestritt diese Wahl, weil er nicht gefragt worden war, und drohte, unterstützt von Monsieur, nicht im Palais Royal zu erscheinen, sollte es bei dieser Wahl bleiben. Er hatte seine Drohung kaum ausgesprochen, als Ludwig den Kronrat einberief und die neuen Minister in ihrem Amt bestätigte. Ziemlich entmutigt, zog Monsieur seine Lehre aus dieser Abfuhr und stellte sich anderntags als getreuer Untertan zum Lever des Königs ein. Condé nahm allein die Waffen auf, doch ohne große Zuversicht, die Entschlossenheit des Königs gab ihm denn doch zu denken.
***
Wenn ich mich recht entsinne, erhielt ich am Tag nach Condés Abfall ein Billett von der Prinzessin von Guéméné, worin sie schrieb, daß sie mich nach dem Lever des Königs zu sprechen wünsche. Ich ging also hin, aber sozusagen mit Eisen und harten Vorsätzen gepanzert.
Wie gewohnt, obwohl es schon zehn Uhr morgens war, fand ich die Prinzessin von Guéméné noch im Bett, aber die Haare wunderschön aufgesteckt, entzückend geschminkt und in einem so reich gezierten Hausgewand, daß unsere höfischen Damen es gern auf den Fluren des Palastes getragen hätten.
»Endlich!« sagte sie, »endlich laßt Ihr Euch sehen! Was ist denn passiert? Seid Ihr mir feind geworden? Was habe ich getan, um eine so grausame Behandlung zu verdienen?«
»Madame«, sagte ich frostig, »als ich das letztemal an Eure Tür klopfte, sagte mir Euer Majordomus, Ihr wäret in einer Beratung mit dem Herrn Koadjutor. Ich zog mich eilends zurück, denn da Euer Seelenheil in so kundigen Händen war, wollte ich mich nicht einmischen.«
»Herzog«, sagte die Prinzessin mit kindlichem Schmollen, »daß Ihr so böse sein könnt! Der Koadjutor war ein flüchtiger Moment in meinem Leben, die reine Neugier. Ihn umkreisen so viele Frauen, daß ich einfach wissen wollte, was an ihm ist.«
»Wart Ihr zufrieden?«
»Überhaupt nicht. Erstaunlich an dem Koadjutor war lediglichseine grenzenlose Überheblichkeit. Aber Ihr, Monsieur«, und am Klang ihrer Stimme merkte ich, daß sie jetzt die leichte Reiterei auf mich loslassen würde, »habt Ihr auf Euren fernen Reisen im königlichen Dienst nicht von den Schwächen manch guter Wirtin profitiert?«
»Das ist doch Hoftratsch.«
»Nein, nein, Monsieur, das kommt aus Kreisen der Armee. Ihr werdet doch die Offiziere Seiner Majestät nicht ausgemachte Lügner schimpfen wollen? Und wenn sie es wären, seid Ihr nicht auch einer?«
»Madame! Ihr würdet mich ernstlich verstimmen, solltet Ihr in dieser Weise fortfahren. Und um ein Ende zu machen, schlage ich Euch einen gerechten Handel vor. Ihr begrabt Euren Koadjutor, und ich begrabe meine Wirtinnen.«
»Monsieur«, sagte sie mit hinreißendem Lächeln, »ich fürchte sehr, der restliche Vormittag wird für jedes nützliche Gespräch verloren sein.«
Und so war es. Erst als unsere Tumulte beruhigt waren, kehrte das Wort in unsere Münder zurück.
»Mein Freund«, sagte sie, »wie denkt Ihr über Mazarin?«
»Er hat nicht Richelieus Strenge und Energie, aber viel Geist, und er gibt der Königin scharfsinnige Ratschläge. Weshalb die ewigen Widersacher anfangen ihn zu hassen und sogar schon an Mord denken.«
»Wißt Ihr, wie Mazarin sich selbst als Minister sieht?«
»Nein.«
»Soll ich es sagen?«
»Ich bitte
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