Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Problemhandelt, sprach ich hierüber zu Ihrer Majestät der Königin. Doch obwohl sehr an unserem Projekt interessiert, wollte die Königin es weder billigen noch mißbilligen, bevor Ihr davon nicht Kenntnis genommen hättet.«
Leser, das war nun eine jener blanken Lügen, die so überaus nützlich sind, wenn man es mit einem Großen zu tun hat. Der Leser wird sicherlich noch wissen, daß die Königin unseren Vorhaben durchaus günstig war, aber wie ungeschickt wäre es gewesen, hätte man das Privileg des letzten Wortes nicht dem König überlassen.
Gewisse Schöngeister, die ihre spitze Zunge mit Vorliebe an großen Männern wetzen, und ganz besonders an Königen, haben
sotto voce
behauptet, Ludwig XIV. sei geistlos gewesen. Ich widerspreche dieser albernen Verleumdung entschieden. Alle, die dem großen König begegnet sind, haben, im Gegenteil, seine geistige Regsamkeit, seine scharfsinnigen Repliken bewundert, vor allem aber einen bei den Großen seltenen Vorzug: Er konnte zuhören. Und das tat er auch, als Fogacer und ich ihm unsere Dinge vortrugen.
»Es ist unstreitig«, sagte er dann, »daß die Zahl der Bastarde, meiner und der von Philippe, dornige Probleme bereitet und den Staatsschatz auf die Dauer Gelder kosten wird, die anderswo besser angewandt wären. Dabei lasse ich die wohlbekannte Anmaßung der Bastarde noch außer acht, im Staat eine große Rolle spielen zu wollen, hohe Pensionen zu fordern, nach Ämtern zu trachten, in denen sie nur ihr Ungenügen beweisen könnten. Und nie sind sie zufrieden, lassen sich in ausgetüftelte Verschwörungen ein, mit denen sie natürlich nur scheitern können, weil sie viel zu unbesonnen und beschränkt sind.
Alsdann, Herzog, wenn ich Euch recht verstand, sollten die Kandidatinnen für die prinzlichen Beilager als erstes von einem Mediziner untersucht werden, um sicherzustellen, daß sie gesund sind. Dann gilt es, sie zu überzeugen, sich auf ungewohntem Weg die magischen Kräuter Eures Vaters einzuführen, damit ein Augenblick des Vergnügens nicht durch eine unerwünschte Schwangerschaft bezahlt werden muß. Und endlich müßten diese Maßnahmen unbedingt geheimgehalten werden, damit die Kirche nichts davon erfährt, weil sie sie sofort als Todsünde brandmarken würde. Was die Untersuchung der Kandidatinnen für die prinzlichen Beilager angeht, findeich sie unbedingt notwendig, denn hätte es diese vor meiner Einweihung gegeben, hätte die Borgnesse mich nicht mit einer Krankheit anstecken können, an der ich über einen Monat litt.«
Hierauf fragte mich der König, ob meine Rolle im Gerichtsrat mich befriedige, und ich antwortete, daß die Herren Richter, weil sie offenbar glaubten, ich würde in ihren Sitzungen doch nur dösen, mir nicht mehr mißtrauten und offen untereinander sprächen. Trotzdem würde ich mir von ihren Reden nur jene merken, die mich Seiner Majestät nachteilig zu sein dünkten, und diese würde ich wie stets die Ehre haben, so schnell wie möglich mitzuteilen.
***
Eine solche Gelegenheit bot sich früher als gedacht. Die Gerichtsräte, vermeinend, sie könnten nach Belieben verfahren, weil der König erst siebzehn Jahre alt war, begannen Edikte erneut in Frage zu stellen, die jedoch schon gültig in einem Rechtsverfahren unterm Vorsitz des Königs bestätigt worden waren. Schlummer vortäuschend, vernahm ich den ungehörigen Verstoß gegen die königliche Macht, schwang mich nach beendeter Sitzung auf meine Accla und galoppierte, nur von Nicolas begleitet, zum Wildgehege von Le Peq, wo der König jagte. Da Seine Majestät bei meinem Anblick ahnte, daß ich so weit und so schnell nur galoppiert war, um eine bedeutsame Nachricht zu überbringen, winkte er mir, mein Tier neben seins zu lenken. Aufmerksam hörte er meinen Bericht an und beschloß, unverzüglich nach Paris zurückzukehren, um die Herren Mores zu lehren, was Er dann auch in Begriffen tat, die mich an seinen Vater Ludwig XIII. denken ließen, wenn das Krongericht seine Rechte überschritt. Nur die Schlußfolgerung der beiden Rügen war nicht ganz die gleiche. Wenn er die Herren abgekanzelt hatte, schloß Ludwig XIII. mit den energischen Worten: »Meine Herren, erinnert Euch bitte, daß dieser Staat ein monarchischer Staat ist.« Sein Sohn wurde noch deutlicher: »Meine Herren, Ihr habt meine Macht nicht anzutasten, indem Ihr Euch in Staatsgeschäfte mischt. Der Staat bin ich.«
Mazarin, der in selbstgewählter Ferne das Ende der Kabale abwartete, die ihm nach dem Leben
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