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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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darum!«
    »Nun, er sagt von sich selbst: ›Ich verberge, ich taktiere, ich mildere, ich gleiche so viel als möglich aus, aber wenn es einmal hart kommt, werde ich zeigen, wozu ich imstande bin.«
    »Aber, Prinzessin, auf welchem Fuß steht Ihr denn mit Mazarin, daß er Euch ein solches Geständnis macht?«
    »Seid unbesorgt, edler Herr, meine Vertrautheit hat einen guten Grund. Ich bin mit ihm verwandt.«
    »Verwandt? Gott im Himmel! Ich hoffe, ich habe nichts Verwerfliches über ihn gesagt.«
    »Aber nein«, versetzte die Prinzessin von Guéméné, »doch da Ihr immer noch Richelieu nachweint, könnte man argwöhnen, daß Ihr seinen Nachfolger nicht genauso hochschätzt.«
    »Was müßte ich tun, um diesen irrigen Verdacht auszuräumen?«
    »Herzog, ist es möglich, daß Ihr wirklich eine schwache Frau um Rat fragt?«
    »Liebe Freundin, an den Mythos von den schwachen Frauen glaube ich nicht. Und schon gar nicht, wenn es sich um Euch handelt.«
    »Eure Luzidität ehrt Euch, mein Freund. Hier denn der Rat, den ich Euch zu geben wage. Wann immer Ihr im Louvre, am Gerichtshof, an öffentlichen Orten seid, hütet Euch, den Namen Richelieu mit Inbrunst auszusprechen. Nur wenn Ihr die Tür Eures Kabinetts daheim gut verschlossen wißt, und nur in trauter Gemeinschaft mit Graf von Sault, mit Monsieur de Guron oder dem Domherrn Fogacer, aber wirklich nur dann, hört Ihr, dürft Ihr bei einer Flasche Burgunderwein Euch im Chor unter einer Flut von Tränen in endlosen Lobpreisungen des großen Kardinals ergehen, der, wie Ihr wißt, zu seinen Lebzeiten in ganz Frankreich als ein Unhold galt.«
    »Ja, aber warum nur?«
    »Weil die Franzosen jeglicher Autorität mit entschiedener Ablehnung gegenüberstehen, und da sie König und Königin nicht herabwürdigen können, halten sie sich an deren Minister. Das war das Los Richelieus und ist jetzt das von Mazarin.«
***
     
    Am Morgen nach diesem zärtlichen Besuch bei der Prinzessin von Guéméné begab ich mich wie gewohnt zum Lever der Königin, und ich war höchlich erstaunt über das, was mir dort begegnete und was ich nicht für möglich gehalten hätte in einem Land, wo zwischen König und Untertanen eine so große Distanz besteht, daß eine Kommunikation zwischen ihnen ausgeschlossen scheint.
    Das Lever der Königin war für mich nicht eine einfache Pflicht, sondern eine Pflicht, der ich mit wohligen Empfindungen nachkam. Bevor die Höflinge eingelassen wurden, hatte die Königin bereits Toilette gemacht, ihre Haare waren tadellos frisiert, ihr Antlitz mit frischem Wasser gewaschen, ihre Lippen leicht geschminkt, ihre Hände gereinigt, gepflegt und parfümiert.
    Die Königin war eine Langschläferin. Kaum zu Bett gegangen und den Kopf ins Kissen geschmiegt, schlief sie ein wie ein Kind und erwachte erst am hellichten Tag, frisch, ausgeruht und rosig, und in der besten Stimmung, die man sich sogleich zunutze machen mußte, weil sie nicht anhielt, denn die Sorgen der Macht bereiteten ihr allzubald Gelegenheiten, in Erregung zu geraten.
    Die Höflinge redeten wenig beim Lever der Königin, ihre Augen ruhten hingegeben auf den wunderbaren Händen ihrer geliebten Herrscherin, denn hätten die Höflinge sich nicht so verhalten, hätte sie ja glauben müssen, sie sei um alle Schönheit und Jugend gebracht.
    Die Königin hatte ein vorzügliches Gedächtnis, sie wußte nicht allein die Namen sämtlicher Anwesenden, sondern auch deren persönlichen Geschichten, und das bis ins kleinste. Sie hatte einen Kreis von Leuten um sich geschart, die sie über alles informierten, die indes nichts mit den Informanten von Monsieur de Guron und mir zu tun hatte; unser Netz war rein politisch, während die Königin sich für die intimen Geheimnisse unserer Großen interessierte. Allerdings verknüpften sich die beiden Ebenen mitunter, denn Liebe und Politik gehen oftmals ineinander über, und Damen hatten großen Einfluß am Hof.
    Was mich angeht, bewunderte ich zugleich ihre Schönheit, ihren Mut und ihre Gewandtheit. Indem sie ihrem fabelhaften Gedächtnis kostbare Details entnahm, wenn sie diesen oder jenen ansprach, gab sie ihm das Gefühl, daß sie alles über sein Leben, seine Freunde, seine Liebschaften und seine Ansichten wisse. Darum wurde sie von den Intriganten gefürchtet, weil ihre scheinbare Allwissenheit ihnen den Eindruck gab, sie habe bereits beste Kenntnis der Intrige, die gerade erst gesponnen wurde.
    An jenem Tag war ich nicht unter den allerersten beim Lever, was mir einen

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