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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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trachtete, hörte entzückt, wie Ludwig den Gerichtshof abgekanzelt hatte. »Ihr werdetsehen«, sagte er zu seinen Freunden, »Ludwig wird den Aufsässigen in einer Weise entgegentreten, daß überall wieder Ordnung und Gehorsam einkehren.«
***
     
    »Monsieur, ich würde Sie gern mehreres fragen.«
    »Madame, ich höre Sie mit Vergnügen an.«
    »Vielen Dank für Ihr freundliches Entgegenkommen. Wenn man die Dreißig überschritten hat, erfreut einen derlei um so mehr. Sie glauben ja nicht, Monsieur, wie angenehm es ist, mit einem glühenden Freund des schönen Geschlechts zu tun zu haben. Wie viele Männer begegnen unsereinem derart hochmütig und herrisch, als ob sie uns unendlich überlegen wären.«
    »Welcher Dummkopf will denn aber festlegen, daß eine Frau ab Dreißig nicht mehr liebenswert sei? Ich denke, ich habe in meinen Memoiren mehr als ein Beispiel gegeben, das dem widerspricht. Dabei meine ich mich weder als ausgemachten Tugendbold noch als besonders ausschweifenden Lüstling gezeigt zu haben. Doch mir scheint, dies Gespräch wird allzu persönlich. Kehren wir nicht besser zu Ihren Fragen zurück?«
    »Richtig. Monsieur, erzählen Sie mir von den Verträgen von Münster und Osnabrück im Oktober 1648.«
    »Wenn Sie deren Namen kennen, wissen Sie auch, was sie enthalten, und ich muß es nicht wiederholen.«
    »Ich weiß es, aber doch nicht so gut, wie wenn Sie es mir erklären würden.«
    »Wie schlau und schmeichelhaft! Also, zu den Verträgen. Sie besiegeln unzweifelhaft unsere Siege über den deutschen Kaiser.«
    »Wer ist der deutsche Kaiser?«
    »Ein Österreicher, ein Habsburger, der unwürdig ist, die Geschicke des ›Heiligen‹ Römischen Reiches zu lenken.«
    »Warum?«
    »Weil er die Protestanten auf die abscheulichste Weise verfolgt hat, und er hätte es noch weit schlimmer getrieben, hätte er es gekonnt.«
    »Und was hatten Sie mit ihm zu tun?«
    »Frankreich kämpfte seit jeher, um ihm jeden Einfluß in Lothringen zu verwehren. Es hat die drei Bistümer Metz, Toul undVerdun sowie Breisach und die Landgrafschaften des oberen und niederen Elsaß, mit Ausnahme von Straßburg, erobert.«
    »Wie schade, daß Straßburg noch nicht uns gehört. Es soll eine so schöne Stadt sein.«
    »Sie dürfen gewiß sein, daß Ludwig XIV. dem bald abhelfen wird, denn auch er ist ein Soldatenkönig und will das Werk seines Vaters und Großvaters vollenden.«
    »Monsieur, mal ganz unter uns, heißen Sie alle diese Eroberungen gut?«
    »Ganz und gar nicht. Trotzdem bin ich froh, daß Ludwig XIV. sie gemacht hat, weil sie eine zugleich defensive und offensive Seite haben: Sie stärken das Königreich. Und zumal trotz besagter Verträge der Krieg mit dem angeblich Heiligen Römischen Reich noch nicht zu Ende ist. Haben Sie noch andere Fragen, schöne Leserin?«
    »Wie kommt es, Monsieur, daß Ludwig XIV., der in seiner Jugend so gegen Bastarde war, im reifen Alter so viele gezeugt hat?«
    »Weil der große König zu jener späteren Zeit Frauen von Stand zu Mätressen hatte.«
    »Was bedeutet das?«
    »In der Ausdrucksweise jener Epoche gehören ›Frauen von Stand‹ zum Adel. Wenn nun also ein Bastard geboren wurde, war er beiderseits aus adligem Haus und gereichte dem König zur Ehre, anstatt ihm Schande zu machen. Madame, ich sehe Sie eine Grimasse ziehen, und ich verstehe Sie. Für Sie ist ein Kind ein Kind, und solche Diskriminierungen schockieren Sie. Aber können wir die Geschichte ändern?«
***
     
    Im Jahr 1653 befindet sich das Königreich in der seltsamen Lage, daß zu dem Krieg gegen Spanien sich ein innerer Krieg gesellt, angeführt von Condé, der dem König so feind ist, wie man es nur sein kann, und abgewehrt von Turenne, der ihm dient. Längst war Ludwig XIV. begierig, selbst in den Kampf einzugreifen. War es denn nicht sein Reich, das da zerstückelt werden sollte? Anna von Österreich, die sich lange dagegen gesträubt hatte, aber von Mazarin lebhaft bekehrt worden war, willigte endlich ein, und am 16. Juli 1653 zog Ludwig an derSpitze frischer Truppen aus, begleitet von Mazarin, der nach dem Wunsch der Mutter über ihn wachen sollte. Ludwig XIV. war fünfzehn Jahre alt und sehr kräftig für sein Alter, dazu ein feuriger und unermüdlicher Reiter. Turenne empfing ihn in seinem Lager zu Saint-Agis, und es donnerten ihm zu Ehren die Kanonen und krachten die Musketensalven. Nun wollte Ludwig den Feind aber auch sofort angreifen. Also führte Turenne seine Truppen auf das linke Ufer der Oise,

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