Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
kühlen Blick und eine trockene Bemerkung Ihrer Majestät eintrug.
»Herzog«, sagte die Königin, »Ihr, der sonst so pünktliche, kommt als einer der letzten, mir guten Morgen zu wünschen. Wahrscheinlich habt Ihr Euch unterwegs aufgehalten, Blumen zu pflücken.«
Der Hintersinn dieser Bemerkung war so offensichtlich, daß man ringsum lächelte und ich nach dem Lever von unseren Klatschbasen kindisch hochgenommen wurde. »Herzog«, fragtemehr als eine, »und was habt Ihr jetzt vor? Wieder Blumen pflücken?«
Die Zeremonie des Levers dauerte etwa zwanzig Minuten, dann dankte die Königin den Höflingen für ihren Besuch und bat sie, sich zurückzuziehen. Und jedesmal gab es ein undiszipliniertes Gedränge, alle wollten als erste zur Tür des Gemachs hinaus. Im Begriff, ihnen in Ruhe zu folgen, hörte ich die Stimme der Königin.
»Wir wünschen, daß der Herzog von Orbieu und der ehrwürdige Doktor und Domherr Fogacer noch bleiben.«
Ein Beben der Neugier durchlief die Menge der Höflinge, und ihr Fortströmen kam derart ins Stocken, daß der Majordomus sich einschalten mußte, damit der Auszug weitergehe.
Endlich schloß sich hinter ihnen die Tür. Die Königin bedeutete uns, jeder auf einem Schemel Platz zu nehmen, was zugleich eine Ehre und das Zeichen war, daß es ein längeres Gespräch werden würde.
»Meine Herren«, sagte sie mit einer Stimme, die mich ein wenig beklommen anmutete, »ich bin in großen Schwierigkeiten, was den König anbetrifft, und ich hoffe, Ihr werdet mir helfen können, sie zu lösen. Seit der König beschlossen hat, sich seine Frauen selbst zu suchen, konnte seine Wahl aus den Euch bekannten Gründen nur auf Kammerfrauen fallen. Nun sind zwei von ihnen schwanger, eine, scheint es, mit einem Mädchen, die andere mit einem Jungen. Das Mädchen stellt kein großes Problem dar. Es wird in einem Kloster aufgezogen werden, wo man es sehr gut behandeln wird. Was hingegen den Jungen angeht, ist der Fall schwieriger. Wir können ihn nicht als königlichen Bastard anerkennen, weil seine Mutter nicht adlig ist. Aber er kann dereinst dagegen aufbegehren und endlose Scherereien bereiten. Es ist anscheinend ausgeschlossen, vom König zu verlangen, daß er vorzeitig von dem geliebten Objekt abläßt. Schon gar nicht akzeptiert er, was man den
coitus interruptus
nennt, der, wie Ihr wißt, seit Onan von unserer Kirche als Todsünde betrachtet wird. Andererseits ist auch ein künstlicher Abbruch der Schwangerschaft eine Todsünde. Die beste Lösung, so unmöglich sie auch scheinen mag, wäre tatsächlich, wenn der Koitus normal vonstatten ginge, ohne eine Schwangerschaft zu bewirken. Nun, Ihr Herren, wie ich hörte, kennt Ihr ein Geheimnis, dieses Unmögliche möglich zu machen.«
»Es ist ein Geheimnis«, sagte ich, »denn der Domherr Fogacer und ich haben beschlossen, es auf keinen Fall preiszugeben, weil die Kirche uns dafür verdammen würde. Doch versteht es sich von selbst, Madame, daß wir es Eurer Majestät nicht verheimlichen, wenn Sie uns befiehlt, es Ihr zu eröffnen.«
»Also befehle ich es«, sagte die Königin gutgelaunt, »indem ich Euch, meine Herren, versichere, daß ich über das betreffende Verfahren genauso schweigen werde wie Ihr.«
»Majestät«, sagte Fogacer, »es handelt sich um ein Kraut, das nur in einem fernen Lande wächst. Wird dieses Kraut an der Stelle, wo es wirken soll, und zum rechten Zeitpunkt eingeführt, verhindert es die Zeugung.«
»Welch ein gefährliches Geheimnis!« sagte erschauernd die Königin, »und wie verhängnisvoll für das Reich, wenn es im Volk bekannt würde!«
»Madame«, sagte ich schnell, »eine solche Gefahr besteht nicht. Denn nicht allein, daß man das Kraut kennen muß, man muß auch wissen, wie es zubereitet wird, was kompliziert ist und Gelehrsamkeit erfordert. Die einzige Schwierigkeit, Madame, die ich sehe, ist die Frage, ob der König sich auf dieses Mittel einlassen wird.«
»Das wird er«, sagte die Königin ohne Zögern, »so erschrocken, wie er schon jetzt über die Zahl seiner Bastarde ist.«
»Madame«, sagte nun Fogacer, »wenn Eure Majestät es erlauben, würde ich gern eine Anregung vorbringen. Wäre es nicht möglich, wenn eine neue Jungfer ins Leben des Königs tritt, diese zuerst von einem Arzt untersuchen zu lassen, damit man sichergehe, daß sie keine Geschlechtskrankheit oder ein anderes ansteckendes Leiden hat?«
Ich fand es sehr mutig von Fogacer, diesen Punkt anzusprechen, mußte dies die Königin doch an
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