Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Gebäudes, sondern auf der Straße, wenn ich zu einer Sitzung eintraf oder sie verließ. So nahm ich künftig nicht nur Nicolas mit zum Gericht, sondern noch zehn meiner Schweizer Hünen, welche die ganze Sitzungszeit über die Straße bewachten.
Die Herren der Robe setzten jedoch mehr aufs Wort denn auf Waffen, und so wurde mir hinterbracht, daß einer mich als Spitzel betitelt hatte. Ich nahm denjenigen beiseite und sagte, für dieses böse und beleidigende Wort müßte er mir mit dem Degen in der Hand einstehen, wenn der König Duelle nicht verboten hätte. Hierauf wandte ich mich in ruhigem Ton an die Versammlung.
»Meine Herren, ich agiere hier nicht als geheimer Beobachter wie ein Spion, sondern völlig offen. Ihr wißt sehr wohl, daß, wenn Ihr prospanische Reden führt, ich diese umgehend Seiner Majestät berichte, meinem Gebieter, der auch Euer Gebieter ist. Ihr wißt ebenfalls, daß der König sehr ungehalten darüber ist, wie Ihr die Registratur der Edikte verschleppt, mittels derer Seine Majestät die Staatsgelder vermehren will. Einige unter Euch scheinen seine Anstrengungen, die Invasion zurückzuschlagen, geradezu zu hintertreiben. Gott sei Dank, verfügt der König über ein Arsenal von Zwangsmaßnahmen und Sanktionen, die Euch veranlassen sollten, Euer Reden und Handeln besser zubedenken. Man warnte mich, daß manche unter Euch daran dächten, mich ermorden zu lassen. Das ist kindisch. Vergeßt nicht, daß der König, der nicht gezögert hat, einen Montmorency enthaupten zu lassen, den Mord an einem seiner treuesten Diener nicht ungestraft ließe.«
Zu Hause beim Mittagessen brachte ich kaum ein Wort hervor, so ärgerte mich die Böswilligkeit der Gerichtsherren gegenüber dem König. Und als wir unterm Betthimmel Siesta hielten, wurde es mit mir nicht besser.
»Mein Freund«, sagte Catherine, »Ihr seid mürrisch und bedrückt. Darf ich fragen, was für eine Laus Euch über die Leber gelaufen ist?«
»Geliebtes Herz«, sagte ich, nachdem ich ihr mein Erlebnis vom Morgen berichtet hatte, »Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie diese Heuchler mich anwidern. Unsere Niederlagen bereiten ihnen jedesmal eine Genugtuung, daß sie sich schon plustern wie die Gänse und die Schnäbel wetzen, um nach dem Sieg der Spanier Richelieu den Garaus zu machen.«
»So unziemlich reden sie?«
»Sie nehmen kaum mehr ein Blatt vor den Mund! Gerade nur, daß sie nicht in Freudengeschrei ausbrachen, als die Spanier am sechzehnten August Corbie einnahmen!«
»Wie?« fragte Catherine in gekränktem Ton. »Sie haben Corbie an Emmanuels Geburtstag genommen?«
Diese sehr weibliche Reaktion brachte mich zum Lachen, meinte Catherine doch offenbar, daß die Spanier ein bißchen mehr Takt hätten zeigen und Corbie nicht ausgerechnet am sechzehnten August erobern sollen. Gleichzeitig rührten mich ihre Worte, so naiv waren sie, und so beugte ich mich über Catherine und bedeckte sie mit Küssen.
»Monsieur!« sagte sie und stellte sich böse, »da sprechen wir nun von ernsthaften Dingen, und Ihr fallt über mich her wie ein wildes Tier!«
»Tausendmal um Vergebung, mein Lieb, daß ich nicht an mich hielt. Stellt getrost weiter Eure Fragen.«
»Was ist denn an diesem Corbie, Monsieur, daß sein Verlust die Pariser dermaßen erschreckt? Manche, höre ich, sollen schon ihre Sachen packen, um auf ihre Landsitze zu gehen.«
»Corbie ist eine kleine, aber gut befestigte Stadt unweit von Amiens. Und was die Angsthasen in Panik versetzt, ist ihre Nähezu Paris. Aber das ist Unsinn, so schnell ist Paris noch nicht bedroht, denn die großmächtige spanisch-kaiserliche Armee erweist sich als ziemlich schüchtern. Anstatt geradewegs auf Paris zu marschieren, hält sie sich bei einer kleinen Festung nach der anderen auf. Inzwischen nutzen der König und Richelieu die Zeit, den Schatz aufzufüllen und eine neue Armee zu formieren.«
»Und wieso ergab sich Corbie?«
»Meine Liebe, das ist eine höchst beschämende Geschichte. Monsieur de Soyecourt, der die Feste befehligte, hatte tausendachthundert Mann, dazu reichlich Waffen und Vorräte. Trotzdem kapitulierte er nach wenigen Tagen, weil die Spanier ihm persönlich den freien Abzug nach Amiens zusicherten. Das Schicksal der zurückgelassenen Soldaten scherte diesen Herrn offenbar wenig. Der König spie Feuer und Flammen, als er davon hörte, und die Pariser waren so empört, daß sie auf dem Pont-Neuf schrien: ›Köpft Soyecourt!‹«
»Und was geschah ihm?«
»Wie der Baron du
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