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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ist mit den Verschanzungen gemeint?«
    »Das sind drei konzentrische Gräben rings um die Stadt, die die Belagerer vorm Beschuß der Belagerten schützen und diesen jeden Ausfall verwehren sollen.«
    »Und die Gegenverschanzungen?«
    »Es sind Trancheen oder Gräben, genau wie die drei anderen, nur daß sie zur Verteidigung der Belagerer dienen, damit sie nicht ihrerseits von einer Entsatzarmee belagert werden können.«
    »Und wie kommen die Soldaten im Notfall von den Schanzgräben in die Gegenverschanzungen?«
    »Durch Gräben, die im Zickzack verlaufen.«
    »Warum im Zickzack?«
    »Damit die Belagerer, wenn sie von einem Graben in den anderen laufen, nicht von einem Dauerfeuer der Belagerten erwischt werden.«
    »Und wie lange dauert es, bis man eine Stadt auf diese Weise erobert?«
    »Liebe Freundin, das hängt von vielen Faktoren ab, zuerst aber von der Wehrhaftigkeit oder der Feigheit der Belagerten. Erinnern Sie sich daran, wie etliche unserer kleinen Städte, als Spanien und die Kaiserlichen in Frankreich einfielen, dem Feind zu Ludwigs großem Zorn nach achttägiger Belagerung ihre Tore öffneten. Meistenteils ist es allerdings der Hunger, der die Belagerten zur Aufgabe zwingt, wie es in La Rochelle der Fall war, das sich von Anfang bis Ende höchst heldenhaft verteidigte. Jede der kriegführenden Parteien, Katholiken wie Protestanten, erwartete den Sieg von Gott.«
    »Und von ein und demselben Gott! Monsieur, noch eine Frage. Wozu so große Anstrengungen, um Arras zu nehmen? Ist es nicht letztlich eine Stadt wie jede andere?«
    »Ah, da irren Sie, meine Freundin. Arras ist kein kleines Nest, sondern eine schöne und blühende Stadt, eine Stadt der Weinhändler, Tuchmacher, Bankiers und Tapissiers. Sie dürfen versichert sein, daß das Handelsbürgertum von Arras genauso vermögend und reich ist wie das von Paris.«
    »Demnach wird die Eroberung nicht leichtfallen?«
    »Damit brüsten sich ja die Spanier. Wie lange schon verkünden sie
urbi et orbi
: ›Wenn die Franzosen Arras nehmen, fressen die Mäuse die Katzen.‹ Vergessen Sie nicht, daß die Engländer, als wir Calais belagerten, eine ganz ähnliche Prahlerei im Munde führten. Nur, obwohl ich sie in meinen Memoiren zitiert habe, entsinne ich mich jetzt nicht des Wortlauts.«
    »Dann lassen Sie mich danach suchen, Monsieur, und wenn ich den Ausspruch finde, sage ich’s Ihnen.«
    »Meine Teure, Sie sind ein Engel!«
    »Das, Monsieur, ist wohl etwas übertrieben.«
    »Soll ich mich entschuldigen, meine Liebe?«
    »Durchaus nicht. Eine Frau freut sich immer über ein Kompliment, sogar wenn sie es aus Anstand zurückweist. Wo haben Sie während der Belagerung von Arras gewohnt?«
    »Zeitweise in Amiens, meistens aber in Douai, wo der König logierte.«
    »Und behagte Ihnen Ihr Quartier?«
    »Meine Beste, was für eine verfängliche, zudringliche und ahistorische Frage!«
    »Sie wollen nur nicht drauf antworten.«
    »Doch. Ich war bei einer Witwe und ihrer Tochter einquartiert, ziemlich armen Leuten, ohne Knecht, ohne Magd, aber mir gegenüber sehr aufmerksam. Morgens brachte mir die Tochter das Frühstück ans Bett und blieb brav daneben stehen, bis ich es beendet hatte. Sie war blutjung und frisch, und weil die Ärmel ihres Morgenkleids weit waren, ließ ich meine Hand liebkosend ihren Arm aufwärts gleiten, was sie ohne Widerstreben geschehen ließ, indem sie die Augen schloß. Ich hätte, glaube ich, weitergehen können. Aber sie war so jung und so unschuldig, daß ich es nicht wollte. Sie hatte den gleichen sanften Blick, den Botticelli seiner Venus gab, als sie seinem Pinsel entstieg.«
    »Also keine Liebelei?«
    »Nein, aber ein Gefühl, das bis heute dauert und mich entzückt, wenn ich mich der Szene erinnere.«
    »Teilten Sie ihr Quartier da noch mit Monsieur de Guron?«
    »Nein, und dessen war ich herzlich froh, denn ein so guter Geselle er auch sei, schnarcht er doch ohne Erbarmen. Statt seiner zog Graf von Sault bei mir ein.«
    »Graf von Sault, der schönste Kavalier des Hofes! Der, mit dem Sie sich zu Suza die ›glutvollen Schwestern‹ teilten.«
    »Falsch, Madame. Erinnern Sie sich bitte, daß er sie allein hatte. Ich habe mich enthalten.«
    »Wider Willen?«
    »Sie wissen sehr gut, daß mein Herz in Paris war, in meinem Haus in der Rue des Bourbons.«
    »Und was machte der Graf, wenn Ihr Botticelli Ihnen das Frühstück ans Bett brachte?«
    »Er nahm es in der Küche ein.«
    »In der Küche? Lieber Gott!«
    »Das störte ihn nicht. Die

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