Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Tod freute die Großen und die Frömmler über die Maßen, erstere, weil der Kardinal ihre Macht beträchtlich eingeschränkt hatte, die zweiten, weil sie dachten, wenn Richelieu tot ist, wird der König seine Bündnisse mit den protestantischen Ländern aufkündigen und mit Spanien Frieden schließen. Diese Dummheit kam dem König zu Ohren, er berief seinen Großen Rat ein und erklärte sich ohne Umschweife, wie folgt: »Wenn es Leute gibt, die glauben, weil der Kardinal tot ist, hätten sie gewonnenes Spiel, so sollen sie wissen, daß ich die Richtlinien nicht ändern werde, ja, daß ich sie mit noch mehr Härte anzuwenden gedenke als der Kardinal.«
Und unverzüglich berief er Mazarin in den Großen Königlichen Rat und bestätigte Chavigny und Noyers in ihren Ministerien. Als unsere Tratschmäuler am Hof diese für sie bestürzenden Neuigkeiten vernahmen, sagten sie, der Kardinal müsse der Teufel sein, da er noch nach seinem Hinscheiden regiere.
Die Nächte, die auf Richelieus Tod folgten, waren für mich schlaflose Nächte. Doch nicht schlaflos allein, denn zusätzlich verfiel ich in Grübeleien, die noch quälender waren, ich stellte mir die Zukunft im düstersten Lichte vor, sollten die Feinde des Kardinals und seiner Politik die Oberhand gewinnen und sich zu Vasallen Spaniens machen. Nicht zufrieden mit dieser Erniedrigung, würden sie jenes große, so unchristliche und von den Fanatikern so glühend ersehnte Werk wieder aufnehmen: die Ausrottung der französischen Protestanten mit Feuer und Schwert.
Wenn meine Catherine mich beim Frühstück von so düsteren Gedanken zerquält sah, fragte sie nach dem Grund, und ich erzählte ihr, was es war.
»Aber Ihr sagtet mir doch«, entgegnete sie, »daß Ludwig öffentlich erklärt habe, daß er an den Maximen des Kardinals festhalten und dieselbe Politik mit Hilfe Mazarins fortsetzen werde?«
»Die Absicht hat er, aber wird er sie durchsetzen können? Wenn er stirbt, wird die Königin Regentin, und was wird dann aus Frankreich, wenn diese Spanierin herrscht?«
»Besinnt Euch, mein Freund, die Königin ist keine Spanierin mehr, sie ist Französin geworden.«
»Seit wann denn? Und kraft welchen Wunders?«
»Durch die Geburt des Dauphins. Als Mutter des künftigen Königs von Frankreich hat sie endlich begriffen, daß sie das Land mit Klauen und Zähnen gegen seine Feinde verteidigen muß, und sei es sogar gegen Spanien.«
***
An jenem Tag, einem Freitag, kam Fogacer zu uns in die Rue des Bourbons, mit uns zu Mittag zu speisen, und kaum hatte er Platz genommen, fragte ihn Catherine, wie es dem König gehe.
»Schlecht geht es ihm, und seine Ärzte, meine gelehrten Kollegen, streiten sich, ob seine Krankheit als hepathischer Durchfall oder als hektisches Fieber zu bezeichnen sei, schöne Begriffe, die großartig klingen und ihr abgrundtiefes Unwissen verdecken.« 1
»Und wie bezeichnet Ihr die Krankheit?«
»Ich hüte mich vor jeder Bezeichnung, weil ich nichts weiß. Höchstens kann ich eine Hypothese äußern.«
»Welche?«
»Die Symptome, unter denen Ludwig leidet, sind die gleichen wie bei seiner Krankheit seinerzeit in Lyon. Er hat starke Leibschmerzen, Fieber und ißt nicht mehr. Man kann also annehmen, daß sich abermals ein Abszeß in den Därmen gebildet hat und nur zu hoffen bleibt, dieser Abszeß werde, wie seinerzeit in Lyon, von selbst aufbrechen und sich mit reichlichem Abgang von Blut entleeren.«
»Was unternehmen die Doktoren?«
»Weil sie ihre gebräuchlichen Mittel wie Aderlaß und Purgation nicht anwenden dürfen, konnten sie den König nur auf Diät setzen, was einfach war, weil er ohnehin nichts ißt. Sie wagen nicht, ihn zu schröpfen, dazu ist er zu schwach, undscheuen eine Spülung der Därme, um seine Schmerzen nicht zu vermehren.«
»Dann kann man also nichts tun?«
»Nichts, man kann ihm doch den Bauch nicht aufschneiden. Man kann nur abwarten und beten.«
Schon während der Rückeroberung des Roussillon hatte der König bitterlich unter Schmerzen gelitten und die meiste Zeit auf seinem Feldbett liegen müssen. Doch hatte es noch Zeiten der Besserung gegeben, in denen er hatte ausreiten können. An solche wohltuenden Ausritte war jetzt nicht mehr zu denken. Um den Louvre und die schlechte Pariser Luft zu meiden, hatte sich Ludwig im neuen Schloß von Saint-Germain eingerichtet, wo er einst nach dem Willen Henri Quatres seine Kindheit verlebt hatte. Man wird sich erinnern, wie ich, der ich nur wenig älter war als er,
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