Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Richelieu, wie der König ihn verletzt hatte, und erbittert schrieb Richelieu dem König, da Seine Majestät seiner Bitte nicht entsprechen wolle, werde er sich in sein Lehen Le Havre zurückziehen. Und ich glaube, er hätte es getan, wenn der König nicht nachgegeben hätte. Aber der König wollte die Sache nicht auf die Spitze treiben, denn ganz offenbar war Richelieu so schwach und so darnieder, daß er auf der Reise gestorben wäre, und diesen Tod wollte Ludwig nicht auf seine Seele laden.
Weiß Gott, wie die Chavigny zugefügte Kränkung am Hof bekannt wurde, jedenfalls machten unsere höfischen Spottdrosseln darüber Witze bis zum Gehtnichtmehr. Und wenn die Schönen jetzt mit ihren Liebhabern brachen oder so taten, als ob sie brächen, sagten sie: »Ich kann Euch nun mal nicht mehr ausstehen.«
Wenn es Richelieu ein wenig besser ging (und einige Besserungen gab es tatsächlich), glaubte er sich schon geheilt und wiegte sich in falschen Hoffnungen: Der König werde selbstverständlich vor ihm sterben, die Königin werde zur Regentin erklärt und er wiederum der allmächtige Minister sein.
Als ich das hörte, fragte ich Fogacer, ob er das für möglich halte.
»Ganz sicher nicht«, sagte Fogacer. »Richelieu verabscheut Frauen, infolgedessen kann er an ihnen und können sie an ihm nie Gefallen finden, vielmehr wird ihm bei ihnen ein Patzer nach dem anderen unterlaufen. Der Hof hat während seiner Krankheit dafür ein schlagendes Beispiel erlebt.«
»Wie das?«
»Als der Kardinal in Rueil war und es ihm schon sehr schlecht ging, besuchte ihn die Königin. Was von ihrer Seite sehr huldvoll war, doch nicht erstaunlich, denn dreimal, in der Affäre Chalais, der Affäre mit den spanischen Briefen und der mit dem verräterischen Vertrag, hatte er den König gehindert, sie zu verstoßen.«
»Wer hätte dem Kardinal soviel Herzensgüte zugetraut!«
»Das war keine Herzensgüte«, sagte lächelnd Fogacer, »es war Kalkül. So wenig vertrauenswürdig die Königin sich auch verhielt, war sie dem König doch unentbehrlich, weil er von ihr einen Dauphin erwartete. Und sie verstoßen – daran war gar nicht zu denken, denn es war völlig unwahrscheinlich, daß der Papst einer Scheidung und einer Wiedervermählung zugestimmt hätte.
Kommen wir zurück zum Besuch der Königin bei dem armen Kranken. Da der Besuch so großmütig war, hätte er gut verlaufen müssen, sollte man meinen. Er verlief aber schlecht. Als die Königin eintrat, war sie höchst überrascht, daß der Kardinal sich nicht aus seinem Lehnsessel erhob. Und anstatt sich deswegen mit seiner Schwäche zu entschuldigen, was die Besucherin gerührt hätte, verstieg sich Richelieu zu der Bemerkung, in Spanien stünde den Kardinälen ein Lehnstuhl vor den Königinnen zu. In seinem Hochmut stellte er sich auf gleichen Fuß mit ihr, ja, sogar über sie. Die Königin durfte solche Ungehörigkeit nicht dulden. Mit abgewandtem Blick und stumm verließ sie nach kurzem den Raum.«
»Und wie nahm Richelieu diesen Rüffel auf?«
»Vollkommen gleichgültig, er hat ja eine sehr geringe Meinung von der Königin. Und wer wollte es ihm nach all ihren Verrätereien verdenken?
Herzog«, fuhr Fogacer mit seinem langsamen, gewundenen Lächeln fort, das seine weißen Brauen nach den Schläfen hinaufzog, »da es dem König so übel geht, laßt uns nicht etwa vergessen, daß nach seinem Tod die Königin unsere Regentin wird und daß man klug daran tut, unfreundliche Worte über sie zu vermeiden, wenn man nicht gleich der Majestätsbeleidigung angeklagt werden will.«
»Mein Freund«, sagte ich, »ich will es nicht vergessen.«
»Am Hof heißt es, Richelieu liege quasi auf dem Sterbebett. Ist dem so?«
»Es sieht leider so aus.«
»Ich habe ihn sehr bewundert, und aus guten Gründen. Ich weiß nicht mehr, wer gesagt hat: ›Er hat Frankreich zu einer Größe erhoben, wie es sie seit Karl dem Großen nicht mehr hatte.‹ Und das springt in die Augen. Trotzdem sollte man aber hinzusetzen, daß der König den Mut aufgebracht hat, diesen schwierigen Charakter zu erdulden.«
***
»Monsieur, auf ein Wort, bitte. Richelieu, höre ich, liegt quasi auf dem Sterbebett. Ist das wirklich wahr?«
»Es ist wahr.«
»Sie liebten ihn sehr, glaube ich.«
»Lieben ist vielleicht nicht das rechte Wort. Ich weiß niemand, der Richelieu hätte lieben können. Sein Genie war zu erdrückend. Er wußte alles über die Vergangenheit, gab unseren Marschällen Lektionen in Militärgeschichte
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