Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
sah der König seinen ganzen nackten Körper, stieß einen Seufzer aus und sagte traurig: »Mein Gott, wie mager ich bin!«
Und so war es leider. Er war nur noch Haut und Knochen, und noch vor dem Sterben war er zum Skelett geworden. An demselben Tag sprach er ein Wort, das mich bei dem guten Christen, der er sein Leben lang gewesen war, erstaunte: »Gott weiß«, sagte er, »daß ich nicht entzückt bin, zu Ihm einzugehen.« Wenig später indessen, als er die Marschälle Châtillon und La Force empfing, die ja Hugenotten waren, beredete er sie lebhaft, ihrer protestantischen Religion Valet zu sagen und in den Schoß der katholischen Religion heimzukehren, weil es außer ihr, wie er sagte, kein Heil gebe. Die beiden Marschälle hörten ihn respektvoll an, doch nach seinem Tod befolgte weder der eine noch der andere seine Empfehlung.
Nicht lange danach vertraute der König seinen Ärzten, daß er zum Herrn bete, an einem Freitag sterben zu dürfen, dieser Wochentag nämlich sei ihm bei seinen Schlachten immer zum Glück ausgeschlagen. Wie verwunderlich, dachte ich, daß ein Sterbender, der sagte, er sei nicht entzückt, zu Gott einzugehen, seinen Tod als einen Glückstag ansehen wollte. Doch selbst sein letzter Wunsch wurde nicht erhört. Er starb nicht an einem Freitag, sondern am Donnerstag, dem vierzehnten Mai 1643. Seine Herrschaft in Frankreich währte dreiundvierzig Jahre.
***
»Monsieur, auf ein Wort, bitte! Ihren Büchern nach hegten Sie für Ludwig XIII. die größte Achtung.«
»Richtig.«
»Und das wundert mich.«
»Es wundert Sie? Warum?«
»Weil mehrere Ihrer Zeitgenossen ihn als eine Marionette in Richelieus Händen schildern.«
»Aber wer waren denn diese Leute, schöne Leserin? Die Großen, deren Privilegien er beschnitten und deren Türme er geschleift hatte, der Gerichtshof, der vergeblich versucht hatte, Einfluß auf seine Politik zu nehmen, die über seine protestantischen Bündnisse entsetzten Frömmler, die Bischöfe, denen er Goldmillionen für seine Kriegführung abgenötigt hatte, und schließlich jene törichten höfischen Schwätzer, deren einzige Beschäftigung die Verleumdung ist!«
»Aber daß der König beim Volk unbeliebt war, was sagen Sie dazu? Sicherlich kam das doch daher, daß er ihm bei jedem Krieg höhere Steuern aufgedrückt hatte.«
»Nicht nur. Zu allen Zeiten hat das Volk mit Anteilnahme, ich würde sogar sagen, mit genüßlicher Begier, die Liebesgeschichten seiner Könige und Königinnen beobachtet und über die Dinge nicht gerade wie ein enthaltsamer Mönch in seiner Zelle geurteilt. Das Volk bewunderte Henri Quatre, den Vert-Galant, dafür, daß er von einem Unterrock zum anderen flatterte, weil es meinte, daß es das an seiner Stelle ebenso getan und seine königlichen Vorrechte aufs beste genutzt hätte. Doch was sollte es von einem König denken, der wie Ludwig XIII. Wochen brauchte, bis er mit seiner hübschen jungen Frau die Ehe vollzog, der sich dann nicht einmal eine Mätresse nahm, ja nicht einmal eine der schmucken Kammerfrauen, die, wenn sie sein Bett gemacht hatten, es gern für ihn wieder aufgeschlagen hätten?
Hinzu kam, daß Ludwig, der als Kind gestottert und sich davon geheilt hatte, ungern redete. Er sagte von sich selbst: »Ich bin kein großer Redner.« Das Volk verübelte ihm seine Schweigsamkeit und, wenn er einmal sprach, daß seine Rede so wenig Wärme hatte. Wo waren das große Gelächter, das Feuer, die gutmütige Vertraulichkeit, die endlosen Witzeleien und gallischen Derbheiten seines Vaters?
Einmal, ein einziges Mal nur, hat das Volk Ludwig XIII. geliebt. Das war, als die Spanier und die Kaiserlichen bei uns eingefallen waren und unsere Hauptstadt zu belagern drohten. Bekanntlich rief der König die Arbeiter und Handwerker in den Hallen zusammen und forderte sie auf, zu den Waffen zu greifen und ihre Kapitale zu verteidigen. Nach dieser kraftvollen Redeging er von Gruppe zu Gruppe, sprach mit jedem, klopfte den Entschlossensten auf die Schulter, umarmte sie sogar. Sie haben recht gehört, meine Liebe, er umarmte einfache Handwerksleute! Die Zimperliesen vom Hof waren entsetzt. Aber ich, ich war begeistert. Denn was war diese tüchtige Leutseligkeit in der Gefahr anderes als eine Auferstehung des väterlichen Temperaments?«
»Aber wenn Sie ihn mit seinem Vater vergleichen, wie erklären Sie dann seine Misogynie?«
»Er war überhaupt nicht misogyn, seine Schüchternheit gegenüber dem
gentil sesso
verdankte er lediglich der
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