Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
fürchtete, sondern daß er sich vielmehr bitterlich über die Länge seiner Krankheit beklagte. So kam es, daß sein Beichtiger, Pater Dinet, ihm eines Abends zum Trost sagte, daß Gott uns lange Krankheiten nur schicke, um die Dauer unseres Fegefeuers abzukürzen. Es war dies eine sehr spitzfindige Auslegung, doch bezweifelte ich, daß sie sehr orthodox war. Als ich dies dem ehrwürdigen Doktor der Medizin und Domherrn Fogacer erzählte, zuckte er die Achseln und sagte: »Pater Dinet spricht als Höfling. Das Fegefeuer ist eine Strafe
post mortem
gemäß der Schwere unserer Sünden. Und diese Strafe hat mit den Leiden einer langen Krankheit nichts zu tun.«
Und übrigens antwortete auch Ludwig seinem Beichtvater in eben diesem Sinn: »Ich denke nicht, daß meine gegenwärtigen Leiden mir das Fegefeuer erleichtern werden. Wenn Gott mich nur hundert Jahre im Fegefeuer ließe, würde Er mir, denke ich, eine sehr große Gnade erweisen.«
An diese Worte meines Königs habe ich oft zurückdenken müssen, und immer mit Staunen, denn ich weiß nicht, welche Schuld er in seinem Leben auf sich geladen hat, die eine so schwere Strafe gerechtfertigt hätte. Konnte man ihm zum Beispiel vorwerfen, daß er den Herzog von Montmorency, Cinq-Mars und de Thou, erwiesene Verräter, auf den Richtblock geschickt hatte? Er hatte damit nur sein Reich gegen die Anstifter von Bürgerkriegen verteidigt.
Ludwig war sein Leben lang den göttlichen Geboten gehorsam gewesen. Und er befolgte sie buchstäblich, ohne je zu wanken, auch war er voll großer Sorge um die Gerechtigkeit und angstvoll bestrebt, ihr zu genügen. Wenn er zum Beispielden Eindruck hatte, er habe einen seiner Diener zu hart gescholten, rief er ihn, ob adlig oder nicht, an sein Bett und reichte ihm die Hand, eine große Ehre fürwahr, um für ein bißchen Geschimpfe schadlos zu halten.
Leser, erlaube, daß ich in meiner Erzählung ein wenig zurückgreife. Bei meiner Ankunft in Saint-Germain-en-Laye war der gesamte Hof bereits dort und hatte alle Wohnungen belegt, so daß ich nur in einem zugleich sehr teuren und sehr unappetitlichen Gasthof Unterkunft fand. Da ich Luxus ebenso liebe wie Richelieu, vor allem aber Reinlichkeit, fühlte ich mich ziemlich unglücklich in dieser Höhle und außerdem sehr allein, untröstlich zudem über Richelieus Tod und über die tödliche Krankheit des Königs.
Zum Glück traf ich in den Gängen des Schlosses Saint-Germain, wie eine vom Himmel herabgestiegene Göttin zum Trost der Unglücklichen, die Prinzessin von Guéméné, die mir, glaube ich, an den Hals gesprungen wäre, wären wir nicht von so vielen Klatschbasen beiderlei Geschlechts umgeben gewesen. Statt dessen kam die Prinzessin, sowie sie mich erblickte, mir mit geheuchelter Zurückhaltung entgegen und reichte mir ihre Hand, die ich bewegt küßte. Sie erkundigte sich mit gedämpfter Stimme nach meiner Unterkunft, und als sie hörte, wie es damit stand, sagte sie, daß sie in Saint-Nom-la-Bretèche, einem Dorf ganz in der Nähe von Saint-Germain, ein Landhaus besitze und glücklich wäre, mich dort mit meiner Suite zu empfangen.
Leser, du mußt nun nicht glauben, das »Landhaus«, dessen Adlige und reiche Bürger sich rühmten, wäre ein schlichtes ländliches Haus gewesen. Es konnte ebensogut ein Schloß, eine Burg, ein Edelhof wie auch ein stattlicher Pachthof sein, den man durch einen Turm geadelt hatte. Das Landhaus der Prinzessin von Guéméné war also eher eine Burg, es stammte aus dem 16. Jahrhundert, mit zwei Türmen und einem Dutzend Gemächern, auch einem in gehörigem Abstand gelegenen großen Pferdestall samt den Communs für die Diener, Kutscher, Wagner, Gärtner und Stallknechte des Gutes. Außerdem gehörte zu diesem Landhaus ein sehr sauberer Teich, der von einer Quelle gespeist wurde, denn die Prinzessin war nicht nur eine gute Reiterin, sie schwamm auch leidenschaftlich gern, wie man weiß.
Ziemlich beschämt muß ich gestehen, daß die Krankheit des Königs mich schon weit weniger bekümmerte, als ich dieses Landhaus betrat. Denn da mein Kummer die Zärtlichkeit der Prinzessin geweckt hatte, verwöhnte sie mich, wie nur das
gentil sesso
dies vermag, wenn das Herz dabei ist.
Wenn ich mich recht entsinne, gab es am Dienstag, dem einundzwanzigsten März, einen Zwischenfall, der von Mund zu Mund ging und den ganzen Hof sehr betroffen machte. Der König hatte große Entleerungen gehabt, und um ihn davon zu säubern, mußte man die Bettücher abnehmen. Hierbei
Weitere Kostenlose Bücher