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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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frauenfeindlichen Erziehung, die er nach dem Willen seiner Mutter als Kind erfahren hatte, weil sie mit aller Gewalt verhindern wollte, daß er dem Vert-Galant, seinem Vater, ähnlich werde. Sie hat ihn durch diese Erziehung geradezu entmannt. Die Geistlichen, die sie ausgewählt hatte, trieben den jungen König fanatisch auf die Pfade der Enthaltsamkeit, des Mißtrauens und der Verachtung hinsichtlich des fleischlichen Aktes.
    Aus übermäßiger Vorsicht hatte seine Mutter alle Sorge getragen, jede auch nur ein wenig ansehnliche Kammerjungfer aus seiner Kinderstube zu verbannen, immer wurde der Ärmste nur von ruppigen Strunzeln an- und ausgekleidet. So kam es, daß der Kleine sich nie geliebt fühlte, weder von seiner weiblichen Entourage noch von seiner Mutter, die ihm stets herrisch und erniedrigend begegnete. Kein Wunder demnach, daß auch er sie nicht liebte, daß er die geringschätzige Art haßte, mit der sie ihn behandelte und demütigte und energisch die königliche Macht erstrebte, die sie ihm vorenthielt. Madame, verzeihen Sie mir diese Worte. Alles, was ich hier sage, habe ich längst gesagt, und allein mein Gram hierüber vermag meine Wiederholungen zu entschuldigen.«
    »Monsieur, darf ich Sie noch etwas fragen, wenn ich Sie nicht ermüde?«
    »Schöne Leserin, wer würde bei Ihrem Anblick nicht ganz munter werden?«
    »Himmel, schon wieder ein Kompliment! Woher, bei allen Göttern, nehmen Sie diese unverdrossene Liebe zum
gentil sesso

    »Ich liebe meinesgleichen, aber mehr noch jene mit dem kleinen Unterschied. Vielleicht habe ich diese Leidenschaftvon meinem Vater geerbt. Denken Sie daran, wie er bis ins hohe Alter seine Margot liebte, und zwar so leidenschaftlich, daß er sich ganz unglücklich fühlte, wenn sie ihn nur einmal zehn Minuten allein ließ.«
    »Wenn Sie den seligen König definieren sollten, was würden Sie sagen?«
    »Daß er von klein auf ein Soldatenkönig werden wollte wie sein Vater, daß er es geworden ist, und lieber offensiv als defensiv.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Als er König wurde, bestand für Frankreich die große Gefahr darin, daß die österreichischen Habsburger wie die spanischen Habsburger in Europa die Hegemonie anstrebten, und das nicht ohne Erfolg. Die Spanier hatten sich die Niederlande unterworfen und in Italien einen großen Teil des Piemont erobert. Daher diese unaufhörlichen Kämpfe um das Veltlin, jenes leicht passierbare Tal, durch das die Spanier die Alpen überschreiten und auf dem einfachsten Weg Österreich erreichen konnten, um ihre Truppen in den Niederlanden mit Nachschub zu versorgen. Doch verlor das Veltlin sein Interesse, als Ludwig mit einer starken Armee in Italien einfiel, Susa besetzte und nacheinander Casale und Pignerol einnahm, die, wie unsere Marschälle sagten, die ›Schlüssel zu Italien‹ waren. Komisch, daß Marschälle immer vergessen, daß solche Schlüssel nur Türen öffnen, wenn sie dabei Soldaten, Reiterei und Kanonen einsetzen.«
    »Und was wurde aus diesen ›Schlüsseln zu Italien‹?«
    »Es kostete harte Kämpfe, sie zu halten, besonders was Casale betrifft, aber die französische Präsenz in Italien hatte dennoch einen glücklichen Einfluß auf die Ereignisse. Sie hinderte die Spanier, sich auf der Halbinsel auszubreiten, eine Bedrohung, die nur allzu real war, da sogar der Papst fürchtete, daß jene guten Katholiken sich am Ende seiner Staaten bemächtigen könnten.
    »Im Norden Frankreichs hatte Lothringen, ein kleiner Frosch, der sich zum Ochsen aufzublasen versuchte, sich frühzeitig zu Ludwigs Feind erklärt und bot allen verräterischen Franzosen Asyl, Gaston eingeschlossen, die sich gegen Ludwig verschworen. Zweimal mußten Heere gegen Lothringen ausrücken, um mit diesem kleinen Herzog fertig zu werden. Dabei nahm Ludwig ihm allerdings so viele Städte, daß man am Ende seiner Herrschaft sagen konnte, Lothringen gehöre uns.
    »Ein Feind war auch Österreich, weshalb Ludwig, als er Lothringen eroberte, eine kaiserliche Reichsstadt am Rhein besetzte und wenig später, wie man sich erinnern wird, den Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar mit großzügigen Subsidien versah, damit er für ihn Breisach und Freiburg erobere, die uns eine starke Präsenz am Rhein gewährleisteten. Und zum Schluß schlug Ludwig, nach schweren Kämpfen, eine Invasion der Kaiserlichen und der Spanier zurück und nahm den Spaniern das Artois und das Roussillon. Wir werden ja sehen, ob der Dauphin es besser kann.«
    »Der Dauphin!

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