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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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großem Talent wie Mazarin wird immer den Neid der Mittelmäßigen erregen. In seinem Fall war der Mittelmäßige Francesco Barberini, dessen ganzes – übrigens reich entlohntes – Verdienst sich darauf beschränkte, der Neffe des neuen Papstes und somit sein Sekretär zu sein. Als Ludwig XIII. und Richelieu den Papst baten, ihnen Mazarin als Apostolischen Nuntius zuzuteilen, lehnte der Papst, auf Barberinis Einflüsterung hin, dies ab.«
    »War es nicht ungehörig von seiten des Papstes, dem König von Frankreich den Nuntius seiner Wahl zu verweigern?«
    »Unbedingt! Und nie hätte er derlei gegenüber Philipp IV. gewagt, weil er viel zu sehr um seine Staaten bangte.«
    »Und was machte Ludwig?«
    »Er lud Mazarin nach Frankreich ein. Und sowie dieser französischen Boden berührte, erhielt er die Einbürgerungsbriefe und wurde vom König mit verschiedenen Missionen betraut, die Mazarin vorzüglich bewältigte. Nun beantragte Ludwig beim Papst für ihn die Kardinalswürde, die der Papst diesmal nicht zu verweigern wagte. Armer Barberini, diese Nachricht muß ihm vor Eifersucht Gift und Galle erregt haben.«
***
     
    Sobald Mazarin von der Königin zum Ersten Minister ernannt worden war, nahm ich die Gewohnheit wieder auf, die ich zu Zeiten Richelieus stets treulich befolgt hatte. Ich besuchte ihn allmorgendlich, um zu fragen, ob er nicht einen Auftrag für mich habe. Diese meine Demarche mag ganz natürlich erscheinen, doch ließen zu der Zeit noch viele Mazarin links liegen. Die einen, weil er Italiener war, die anderen, weil er von einer Frau ernannt worden war, der eine Grund so dumm wie der andere.
    Kardinal Mazarin erfaßte gleich bei meinem ersten Besuch, daß ich gesonnen war, ihm genauso treu zu dienen, wie ich Richelieu gedient hatte, und er wußte mir dafür großen Dank. Für mich war die Begegnung mit ihm äußerst erfreulich, denn so schwierig und unwirsch Richelieu im Umgang gewesen war, so liebenswürdig, höflich und schonungsvoll hinsichtlich der Empfindlichkeiten des anderen fand ich Mazarin.
    Die erste Aufgabe, die er mir erteilte, war, gemeinsam mit Monsieur de Guron das Netz der Informanten zu erneuern, die Richelieu so gute Dienste geleistet und die sich seit seinem Tod etwas zerstreut hatten, nachdem sie weder dringliche Aufträge noch Belohnungen mehr erhielten. Ich fand das Projekt sehr angebracht und beschloß, als erstes Monsieur de Guron zum Essen einzuladen. Und weil ich Nicolas nicht zu ihm schicken konnte, der sich, wie man weiß, in Orbieu erholte, schickte ich meinen kleinen Laufburschen, den Mariette »Schnittchen« getauft hatte, weil er bei jedem Auftrag, den er von mir erhielt, nicht allein von mir entlohnt werden wollte, sondern sich bei ihr zusätzlich eine Schnitte Brot ausbat. Gutmütig, wie sie war und immer bleiben sollte, kinderlos und Witwe zudem, gab sie ihm nicht einfach das Brot, sondern butterte es auch reichlich, wofür sie allerdings verlangte, daß er sich vorher von Kopf bis Fuß säuberte. Was er freilich mit einiger Zurückhaltung tat, wollte er von seinen Freunden auf der Straße doch nicht verspottet und als hochnäsig beschimpft werden.
    Das Ende vom Lied war, daß Schnittchen ganz in mein Gesinde eintrat und von uns beherbergt, beköstigt und gekleidet wurde. Da er Waise war und weder seinen Familiennamen noch Vornamen kannte, sollte er sich wenigstens einen Vornamen wählen. Nach einiger Überlegung entschied er sich für Lazarus. Und als er gefragt wurde, wie er auf diesen Einfallkäme, antwortete er: »Mit einem solchen Namen, Monseigneur, weiß ich, daß ich nach meinem Tod auferweckt werde.«
    Als ich von Mazarin fortging und mich durch die von Höflingen wimmelnden Galerien des Palastes bewegte, trugen meine Schritte mich wie von selbst zur Wohnung der Prinzessin von Guéméné.
    Ich klopfte, und als zunächst niemand öffnete, fürchtete ich schon, die Prinzessin sei noch in ihrem Landhaus in Saint-Nom-la-Bretèche, war das Wetter für die Jahreszeit doch noch wunderschön. Gott sei Dank war es aber nicht an dem. Ein Diener erschien, sah mich und machte eilends kehrt, den
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zu holen, der mit einer Gemessenheit herbeischritt, die gleichermaßen seinem Bauch und seiner Wichtigkeit entsprach. Die Prinzessin, sagte er, läge noch zu Bett, da sie aber nicht krank sei, zweifele er nicht, daß sie mich empfangen werde. Dies wurde, samt Konjunktiv, voller Majestät gesprochen. Wenig später durfte ich das Allerheiligste betreten und fand die

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