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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Monsieur, wie können Sie jetzt noch vom Dauphin sprechen! Um Vergebung, wenn ich Sie an das Salische Gesetz erinnere: in derselben Minute, was sage ich, derselben Sekunde, wo ein König stirbt, wird der Dauphin
ipso facto
der neue König. Die Königslinie darf nicht einen Tag unterbrochen werden.«
    »Besten Dank für den Hinweis, schöne Leserin. Das hatte ich in der Tat vergessen.«
    »Darf ich von Ihrem Dank profitieren, um Ihnen weitere Fragen zu stellen?«
    »Ich höre.«
    »Wie alt ist die Regentin?«
    »Hierzu wird meine Antwort, wenn es Ihnen recht ist, wohl länger als Ihre Frage. Die Königin ist zweiundvierzig Jahre alt. Obwohl immer noch sehr anziehend, ist sie nicht mehr so schön wie seinerzeit, als Buckingham ihr unziemlicherweise den Hof machte. Aber sie ist noch immer charmant und kokett und für Verehrung noch genauso empfänglich. Sie hat ihre kleinen Fehler, über die sich der Hof weidlich lustig macht. Sie ist sehr träge und steht nie vor zehn Uhr morgens auf. Nach dem Mittagsmahl tut sie, als wisse sie nicht, daß es in Paris nicht so heiß ist wie in Madrid, und hält auch noch eine lange Siesta. Obgleich nachlässig in ihren Gewohnheiten, fehlt es ihr doch nicht an Dünkel, und sie duldet keinen Widerspruch. Sobald man sich ihrem Wort oder Willen widersetzt, fängt sie in gellendem Ton zu schreien an, daß man es bis in die Galerien des Palastes hört. Sie ist sehr fromm und betet mehrere Stunden täglich in ihrer Kapelle, obwohl ihre Frömmigkeit sie niemals Geduld, Toleranz und schon gar nicht Demut gelehrt hat. Wie Fogacer boshaft sagt, ersetzt die Quantität der Gebete nicht deren Qualität.Trotzdem hat sie das Herz auf dem rechten Fleck und widmet mehrere Stunden pro Woche barmherzigen Werken.
    Wie ich in diesen Bänden meiner Memoiren erzählt habe, verriet sie mehrmals den König und wurde Französin erst, als sie den künftigen König von Frankreich gebar. Ihre Liebe zu Louis Dieudonné war um so größer, als sie nach etlichen Fehlgeburten die Hoffnung bereits aufgegeben hatte, noch jemals ein Kind zur Welt zu bringen. Und überglücklich war sie, als sie zwei Jahre darauf mit dem zweiten Sohn, Philippe, niederkam.
    Philippe wurde bei seiner Geburt zum Herzog von Anjou erklärt, aber das Volk gab ihm, wie man sich erinnert, den Namen ›Ersatz-Dauphin‹.«
    Der achtzehnte Mai 1643 war ein windiger Tag mit Sturm und Regen, aber es war auch ein hoch bedeutsamer Tag für die Zukunft des Reiches. Die Königin verkündete
urbi et orbi
, sie habe zum Ersten Minister und Vorsitzenden des Regenschaftsrates den Kardinal Mazarin ernannt.
    Ich war ihm zu wiederholten Malen am Hof begegnet und hatte sein stattliches Aussehen, seinen Geist und ebenso seine italienische
gentilezza
bewundert, die stets zum Kompromiß und zur Versöhnlichkeit bereit war. Darum war ich sehr glücklich, daß am Tag seiner Ernennung der ehrwürdige Doktor und Domherr Fogacer mir von ihm erzählte, als er mit uns zu Mittag speiste. Er brachte diesmal einen anderen kleinen Geistlichen mit als den, an den wir uns bereits gewöhnt hatten, und ich bat Catherine durch ein Augenzwinkern, nicht danach zu fragen.
    Dafür verwunderte sich Fogacer, Nicolas nicht bei uns zu sehen, und kaum daß ich den Mund öffnete, um seine Abwesenheit zu erklären, kam Catherine mir zuvor und unterrichtete ihn, daß Nicolas, der auf dem Feldzug im Roussillon an einem Fieber erkrankt war, jetzt auf mein Geheiß zusammen mit seiner reizenden Gattin auf meinem Gut Orbieu weile, um durch die Ruhe, die gute Luft und das Chinin der Jesuiten zu genesen.
    Nun, sagte ich, was haltet Ihr, mein lieber Fogacer, von diesem italienischen Kardinal, der künftig die Geschicke Frankreichs lenken wird?
    Daß er für Frankreich eine großartige Chance ist.
    Welch großartiges Lob Ihr ihm da spendet!
    Verdientes Lob. Und wenn Ihr erlaubt, will ich es gern im einzelnen begründen.
    Ich höre, und Ihr dürft sicher sein, daß weder Catherine noch ich Euch unterbrechen werden.
    Wenngleich erbost über dieses in ihren Garten geworfene Steinchen, gab Catherine doch keinen Laut. Allerdings nur vorläufig. Sobald Fogacer gegangen wäre, würde sie ihre Krallen schon ausfahren, trotzdem hatte ich nichts zu fürchten, wenn ich mich in den Küraß der Unschuld hüllte: Mein Lämmchen, würde ich sagen, doch nur aus Liebe vereinigte ich dein Schweigen mit dem meinen.
    Mazarin, begann Fogacer, wurde nicht, wie die Engländer sagen, mit einem silbernen Löffel im Mund

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