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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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lassen. Auch die Zugpferde waren rückwärts gelaufen. Das war auf den ersten Blick nicht zu erkennen gewesen. Irgendwo an einer unverdächtigen Stelle mussten sie den Wagen dann ins Dickicht gezogen haben.
    Als er zurückritt, fand er die Stelle ohne Mühe. Die Räuber hatten zwar versucht, die ausbrechenden Spuren mit Laub abzudecken und zu verwischen, aber die seitwärts verlaufenden Hufspuren lieferten ein deutliches Bild und verrieten sie.
    Henri sprang erneut vom Pferd. Er führte das Tier vorsichtig zur Seite und band es an einem Ast fest. Vorsichtig sichernd drang er in die Schneise ein, die der Wald bildete. Jetzt sah er die Radspuren wieder, sie drückten sich im Moos des Untergrundes ab. Er folgte der Spur.
    Über sich sah er plötzlich einige Raubvögel, die wild schlagend aufflogen. Der Wald war hier niedrig bewachsen und dicht. Dann sah er das Gefährt. Es stand unversehrt und unbewacht mitten auf einer Lichtung, die Zugpferde grasten friedlich. An der hinteren Achsel waren drei fremde Reittiere angebunden.
    Henri beobachtete angestrengt die Waldsäume. Er ahnte, dass sich die Räuber in der Nähe befanden. Dann trat einer aus dem Dickicht. Es war eine Furcht einflößende Gestalt. Er war groß wie ein Bär und schleppte eine Verwachsung an der Schulter mit sich herum. Der Mann begann sofort damit, die Fässer vom Fuhrwerk zu ziehen. Achtlos rollten sie ins Gras und blieben dort liegen. Noch bevor er damit fertig war, kamen die beiden anderen Räuber aus dem Wald und halfen ihm bei der Arbeit. Bei einem von ihnen war eine Gesichtshälfte verbrannt, die Augenöffnung leer. Als die achtlose Tätigkeit beendet war, setzten sie sich und wickelten Brot und einen Klumpen Käse aus einem schmutzigen Lappen aus.
    »Sollen wir sie nicht doch in der Höhle verstecken?«, äußerte sich der Räuber mit der Verwachsung.
    Kauend entgegnete der Dritte: »Wozu? Wir lassen den Plunder liegen, falls überhaupt je einer hierher kommt, wird er in der Nähe dieses Abfallhaufens erst recht kein Versteck mit unserer Beute vermuten.«
    »Wir laden nur das Nötigste auf«, ergänzte der mit der leeren Augenhöhle.
    Die Fässer interessierten sie gar nicht! Henri begriff, dass sie deren Inhalt – fleckiges, säuerlich riechendes Salz – für nutzlos hielten. Sie hatten es nur auf den Wagen abgesehen, der für sie ein kostbarer Besitz war.
    Henri spürte seine Wut. Er hasste Wegelagerer, die anderen Menschen das Eigentum stahlen; ihr eigenes, möglicherweise schweres Schicksal wollte er nicht gelten lassen. Noch wusste er nicht, ob er Bedenken haben würde, ihr Leben auszulöschen. Er beobachtete sie noch einen Moment und schätzte seine Situation ein. In Henri, dem Kaufmann, erwachte in diesem Augenblick der Tempelritter Henri de Roslin. Seine groß gewachsene Gestalt straffte sich. Er trug kein Ordensgewand, aber er bewegte sich jetzt, als trüge er es. Er zog das Schwert aus dem Gürtel und stürmte vorwärts, dabei verließ der alte Schlachtruf der Templer seinen aufgerissenen Mund.
    »Beauséant!«
    Die Räuber wurden von seinem Angriff überrumpelt. Sie waren viel zu überrascht, um sich wehren zu können. Henri fuhr wie ein Strafgericht unter sie. Er war von einer dumpfen Kälte beherrscht. Aber er tötete sie nicht. Denn im letzten Augenblick war ihm eingefallen, dass er sein Versteck gefunden hatte. Er würde seinen Schatz nicht im Ort verstecken, sondern in ihrer Räuberhöhle zurücklassen. Sie würden ihm den Weg dorthin weisen. War der Gedanke zu gewagt?
    Nein. Er übergab die Wegelagerer in der Stadt der Polizei. Dort verurteilte man sie, und sie verschwanden auf Nimmerwiedersehen auf den Galeeren!
    Der ‘erste Räuber sprang ihm an die Gurgel, aber Henri schlug ihn mit dem Knauf des Schwertes zu Boden. Einen zweiten schleuderte er am Jackenkragen herum und ließ ihn dann gegen einen Baumstamm krachen. Henri ging jetzt vollkommen ruhig zu Werke. Der dritte, kleinste von ihnen stand geduckt wie ein angreifendes Raubtier vor ihm. Er umkreiste Henri mit einem dumpfen, lang gezogenen Knurren, wobei er seine langen Arme über den Boden schleifen ließ. Henri zeigte nur mit dem Schwert in seine Richtung. Allmählich begriff der Räuber die Überlegenheit des Fremden, er hob zur Abwehr die Hände und blieb stehen.
    Henri band den Wegelagerern, die langsam wieder zu sich kamen, die Arme auf den Rücken. Er fesselte sie an die Wagenräder. Den Dritten forderte er auf, ihm die Höhle zu zeigen. Gehorsam stolperte der

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