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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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blickte ihn unverwandt an. Dann drängte sie sich näher an ihren Tanzpartner heran. Henri spürte Falkies Gesicht an seinem, ihren Körper an seinem und erschauerte noch jetzt, an diesem trostlosen Ort, darüber. Dann hatten ihre Lippen gehaucht:
    »Willst du mit mir schlafen? Bitte!«
    Für den blutjungen Henri de Roslin stockte in diesem Moment die Welt in ihrem Lauf. Die Sterne kollerten herunter und fielen durcheinander. Unfähig, zu sprechen, nickte er nur. Er spürte, wie ihre Lippen ihn auf die Wange küssten.
    »Gehen wir hinaus, spazieren«, sagte er dann, noch immer verwirrt. »Aber nicht gemeinsam. Geh du voraus. Wir treffen uns am See.«
    Falkie meldete sich bei ihren aufmerksamen Eltern ab und verließ den Festsaal. Henri ging durch die Flügeltüren auf der anderen Seite in den Park.
     
     
    Am See wartete sie. Am Himmel standen noch die blutroten Reste der gerade untergegangenen Sonne. Falkie sah den Schwänen zu, die auf dem dunklen Wasser kreuzten, als verfolgten sie eine bestimmte Spur. Sie drehte sich zu ihm um, ging schnell auf ihn zu und umarmte ihn. Es schien ihr egal zu sein, ob sie jemand sah.
    Sie küsste ihn mit heißen, bebenden Lippen.
    Henri zog das vor Begehren zitternde Mädchen mit sich. Auf einer kleinen Lichtung des angrenzenden Waldes, die wie eine Oase von Tannen umschlossen war, zog er Falkie aus.
    Er löste ihre Bänder und Haken, entblätterte sie wie eine Rose, drang zu ihrem Innersten vor. Als sie nackt vor ihm stand, ein Wunderwesen im letzten Abendlicht, überschwemmte ihn das Gefühl, sich als die Person, die er bisher gekannt hatte und die Henri de Roslin aus der Grafschaft Midlothian hieß, völlig aufzulösen.
    Sie ließen sich auf dem warmen Wiesenboden nieder. Henri hatte das Mädchen überall geküsst.
    Jetzt begann sie, ihn zu entkleiden. Er sah ihr zu. In ihren Augen stand nun keine Traurigkeit mehr.
    Als auch er nackt war, kamen sie zueinander.
    Es war zum Sterben schön.
    Gestorben war sie danach tatsächlich. Sechs Wochen später war sie tot, und Henri konnte es in seinen jugendlich-schwärmerischen Gefühlen nicht überwinden. Erst sein Eintritt in den Tempel von Paris hatte ihm darüber hinweggeholfen.
    Als er jetzt daran dachte, wurde ihm schlagartig klar, dass er sein Versteck endlich gefunden hatte.
    Natürlich! Er würde seinen Schatz in diesem elendsten aller Dörfer vergraben! Irgendwo am Rand dieses unwürdigen Sündenpfuhls, in dem es nichts gab als Trunkenheit, schale und käufliche Liebe, schmerzhafte Erinnerungen und Vergessen! War das nicht ein würdiger Ort für einen blutbefleckten Schatz, nach dem alle gierten! Niemand würde gerade hier suchen.
    Er lief zu seinen Gehilfen zurück, um ihnen zu sagen, dass sie das Ziel ihrer Reise erreicht hatten. Als er der Stelle näher kam, wo er die Wagen zurückgelassen hatte, spürte er sofort, dass etwas geschehen sein musste. Einer der Wagen war verschwunden.
    Die Gehilfen kamen bei seinem Anblick aus dem Wald gerannt. Einer blutete im Gesicht. »Ein Überfall! Sie waren zu dritt und trugen Lanzen! Sie haben einen Wagen geraubt!«
    »Wer waren sie?«
    »Bestimmt niemand aus dem Ort. Vogelfreie Vagabunden, ganz schlimme Gesellen!«
    Henri unterdrückte einen Fluch. »Wohin sind sie verschwunden?«
    Ein Gehilfe zeigte nach Westen. »Sie können noch nicht weit sein, es war erst vor einer halben Stunde, und die Wagenräder sinken tief in den Morast ein.«
    »Und warum habt ihr unseren Besitz nicht verteidigt?«
    »Wir haben keine Waffen, Meister!«
    Henri schwang sich auf sein Pferd. Wild entschlossen preschte er in die angegebene Richtung. Vor ihm auf dem Weg bildete sich die Spur der Wagenräder ab. Er brauchte ihr nur zu folgen.
    Nach einer Weile befand er sich in waldreicher Umgebung. Noch immer folgte er den deutlichen Spuren. Wenn er in diesem Tempo weiterritt, musste er die Räuber bald sehen. Doch plötzlich brachen die Abdrücke im Matsch des Weges ab. Wie von Geisterhand war alles verschwunden!
    Henri sprang vom Pferd und lief im Kreis. Auch die dichten Flechten rechts und links des Weges zeigten keinen Abdruck. Das gab es nicht! Der Wagen konnte nicht davongeflogen sein!
    Er überlegte verzweifelt. Es war unmöglich, dass der Schatz einfach verschwand. Nicht auf diese Weise und auch nicht auf eine andere. Er musste ihn zurückholen! So viel stand auf dem Spiel! Dann begriff er den Trick.
    Ja, so hatten es die Räuber gemacht. Sie hatten angehalten und den Wagen ein Stück des Weges zurückrollen

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