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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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paar Wochen, sagen wir bis Michaelis, auf der Straße sind. Dann habe ich meine Ladung verkauft, ich zahle euch aus, und ihr könnt nach Paris zurückkehren.«
    »Und Ihr, Meister?«
    »Ich bleibe am Meer. Die Luft bekommt mir. Sie erinnert mich an meine Heimat.«
    »Aber nur Stadtluft macht frei.«
    »Nein. Solange im Lehensgebiet der Bretagne der Einfluss der Königlich Englischen gilt, können wir hier überall atmen. Sollte allerdings König Philipp den bretonischen Adel mit allen Verlockungen des Lehens ködern, wie er es schon in Bordeaux versuchte, dann kehre auch ich wieder nach Paris zurück. Dann ist das Überleben dort, wo die großen Märkte sind, leichter.«
    Während der nächsten Tage und Wochen ging die ruhelose Reise weiter. Inzwischen waren die meisten Gurken verkauft. Nur der geheime Schatz befand sich noch auf dem Grund der Holzfässer. Langsam wurde es deshalb zu gefährlich, mit den Fuhrwerken über die Straßen zu ziehen, jede Kontrolle konnte sie auffliegen lassen.
    Mitte September, in der noch warmen Luft lagen schon die bitteren Gerüche des nahen Herbstes, fand Henri die Lösung. Aber zuvor war er einer harten Prüfung ausgesetzt.
    In einem elenden Kaff namens Tremblay, an einem Fluss, der Couesnon hieß, übernachteten sie an einer Klostermauer. Henri ging abends durch die ungepflasterten Straßen. Die meisten Hütten bestanden aus nichts als Lehm, geflochtenem Astwerk und Schilfdächern. Als er durch unbedeckte Türfassungen spähte, sah er offene Feuerstellen auf strohbedeckten Fußböden. Kinder spielten im Schmutz. Es gab auffallend viele schummrige Würfelstuben. Vor einer Schnapsschenke, wo Betrunkene saßen und sangen, ließ ihn eine junge Frau ihre nackten Schenkel sehen. Ihr hübsches Gesicht war stark geschminkt, sie war höchstens achtzehn Jahre alt. Henri bedachte sie mit einem Lächeln, ging aber weiter.
    Das Mönchgelübde, das Henri einst abgelegt hatte, saß tief in ihm. Auch jetzt, nach dem Ende des Ordens, fühlte er sich ihm verpflichtet. Er wusste zwar, dass einzelne ehemalige Templer inzwischen geheiratet hatten, aber er hatte nie daran gedacht. Wenn auch die Versuchung blieb. Er spürte sie in seinen Lenden.
    »Dann nicht, Kaufmann«, rief die junge Hure feindselig hinter ihm drein, spuckte aus und wandte sich mit gerafftem Rock den johlenden Betrunkenen zu.
    Henri dachte: Vielleicht ist heute ein Tag für die Sünde. Geht nicht ohnehin alles den Weg des Irdischen? Sind unsere Tage nicht gezählt, so oder so? War er an ein Gelübde gebunden, wenn sich in dieser Zeit niemand an Gelöbnisse hielt? In einem Nachbarhaus erblickte er plötzlich ein Paar. Er schaute ungeniert hinüber. Ein junges, strohblondes Mädchen räkelte sich in den Armen eines stämmigen, jungen Bauern. Der Junge entblößte ihre nackten Brüste und küsste sie. Henri bemerkte ihre verzückten Gesichter und fühlte sich unbehaglich.
    Als er weiterging, musste er an seine einzige große Liebe denken. Sie hieß Falkie, und er lernte sie vor seinem Eintritt in den Ritterorden kennen. Er war dreizehn gewesen, schon in dem Alter, in dem man heiratete. Henri blieb unwillkürlich mitten im Schritt stehen.
    Falkie von Inverness!
    Die Erinnerung traf ihn mit der Wucht eines Hammerschlages.
    Er hatte sie bei einem Fest auf dem Gutshof seiner Eltern kennen gelernt. Sie war ein dunkelhaariges Ding mit himmelblauen Augen gewesen und lebte mit ihrer Familie nahe bei der Festung. Sie wirkte ernst und erwachsen. Erst im Laufe des Abends fand er heraus, dass sie krank war. Sie litt an einer unheilbaren Krankheit des Blutes und hatte nicht mehr lange zu leben.
    Als er Falkie damals über die Tanzfläche drehte, spürte er, wie federleicht sie war. Henri empfand bei dieser Erinnerung so lebhaft, als würde es gerade soeben geschehen, wie der Karottenduft ihres Körpers ihm so in die Nase stieg, dass er erschauerte. Ihr Busen hob und senkte sich, sie blickte ihn aus ihren stillen Augen an, und in ihrem Blick lag eine Frage. Henri hatte sie an sich gedrückt, dann wirbelte er sie wieder lachend im Kreis.
    Plötzlich hatte er wahrgenommen, wie in Falkies Blick eine derartige Traurigkeit einzog, dass er den Wirbel jäh stoppen musste. Danach tanzten sie langsamer weiter. Henri hatte nicht gewusst, was er sagen sollte, er spürte eine seltsame Befangenheit. Dann stammelte er:
    »Kann ich irgendetwas… Gutes für dich tun? Ich meine, brauchst du was?«
    Um Falkies Mundwinkel war ein hauchfeines Lächeln eingezogen. Sie

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