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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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ängstliche Räuber, der einen Mund voller bräunlich-schwarzer Zahnstümpfe besaß, vor ihm her. Einhundert Schritte weiter befand sich ein moosbewachsener Erdhügel, auf dem eine Tanne wuchs. Im dichten Unterholz hätte Henri dieses Versteck niemals gesehen. Er räumte Astwerk und schwarze Tuffsteine beiseite und betrat eine überraschend ausgedehnte Höhle.
    In der Dunkelheit konnte er zunächst nichts wahrnehmen. Doch als er mit einem Feuerstein und Holzspänen ein Feuer anstecken und dieses dann an einer Kienspanfackel anzünden konnte, die in einer Wandhalterung steckte, sah er, dass der abfallende, trockene Höhlenboden mit Kisten und Ballen bedeckt war.
    »Drei Jahre haben wir gebraucht, um das alles zu sammeln«, erklärte der Räuber mürrisch, nachdem Henri ihn aufgefordert hatte, zu erzählen. »Einen solchen Schatz kriegen wir im Leben nicht mehr zusammen.«
    »Ihr braucht ihn nicht mehr. Was solltet ihr damit auch anfangen – im Gefängnis oder auf der Galeere«, sagte Henri.
    Der Räuber stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus.
    Henri hatte genug gesehen. Er brachte den Mann zu seinen Kumpanen zurück und fesselte ihn ebenso. Dann machte er sich daran, die Fässer in das Versteck zu bringen. Es war eine schweißtreibende, anstrengende Arbeit, denn auch die nur noch halb vollen Fässer waren schwer. Aber Henri wollte sie nicht von den Gefangenen verrichten lassen. Womöglich hätten sie die Gelegenheit zur Flucht genutzt.
    Es war schon später Nachmittag, als er zu seinen Gehilfen zurückfuhr. Sie staunten nicht schlecht, als sie die Gefesselten bäuchlings auf dem Wagen erblickten.
    »Aber Meister! Wo sind die Fässer?«
    »Sie lagern sicher. Den Rest schaffe ich jetzt dorthin. Macht ein Fuhrwerk leer, das zweite fahre ich zur Lagerstätte. Beeilt euch! Dann bringt ihr die Gefangenen zur Polizeistation, erzählt alles und wartet dort auf mich.«
    »So viel Aufwand für einfache Holzfässer!«
    Sie wussten nicht recht, was sie von der Sache halten sollten, befolgten aber seinen Befehl, ohne weiter zu fragen.
    Henri machte sich anschließend allein auf den Weg. Er brauchte keine Zeugen. Er lenkte das Gefährt so nahe wie möglich an die Höhle heran und lud die Fässer ab. Eines fiel herunter und zerbrach, sein Inhalt quoll hervor, Henri musste den verpackten Schatz in ein anderes Fass verlagern. Er verstaute die übrigen Fässer und deckte den Eingang der Höhle sorgfältig mit Wurzelwerk, Zweigen und Laub ab. Bevor es dunkelte, war alles verstaut, und er fuhr in den Ort zurück.
    Dort warteten seine Gehilfen wie verabredet auf der Station des Gendarmen. Ihre Aussagen sorgten dafür, dass die Räuber ins Gefängnis geworfen wurden.
    Henri wollte so lange am Ort bleiben, bis der Dienst habende Polizist, der am Ortsende einer auffallend gut ausgestatteten Wache vorstand, die Räuber in die Zellen verfrachtet, sie verhört und geschlagen und ein Protokoll aufgesetzt hatte. Erst wenn der zuständige Vogt beim nächsten Gerichtstag ihr Urteil verkündet hatte, und das konnte nur lebenslange Galeerenhaft bedeuten, konnte Henri beruhigt abreisen. Bis es so weit war, würde er notgedrungen in Tremblay warten.
    Noch am selben Abend zahlte Henri de Roslin seine Gehilfen aus und entließ sie.
    Er überlegte, ob er alles richtig gemacht hatte. War das Versteck sicher? Für die nächste Zeit ganz gewiss. Und irgendwann würde er ohnehin zurückkehren, um das Geld zu holen. Denn es musste alsbald dazu verwendet werden, den König zu stürzen und das Land vor dem Untergang zu bewahren.
    Den Antrieb dafür spürte Henri in sich ganz deutlich. Der König muss sterben und der Papst ebenso, dachte er nüchtern, in diesem Augenblick ohne Hassgefühle. Die Absicht war nicht einfach zu verwirklichen und brauchte Zeit, das war ihm klar.

3
     
     
     
    April 1314, Tage des Anselm
     
    Die gelben Mauern der Stadt türmten sich so hoch auf, als wollten sie die Wolken berühren.
    Henri zügelte sein Pferd und dachte nach, für einen Moment mutlos. Er war allein. Und sie waren Tausende, bewaffnet mit Furcht erregenden Piken, Äxten und Schwertern. Und sie wurden außerdem geschützt von meterdicken Mauern, Zugbrücken, Fallstricken und Gesetzen. Und für alle Fälle besaßen sie ihre Kerker, abgrundtiefe, feuchte Höllen, in die kein Lichtschein fiel und aus denen kein Schrei drang.
    Wie sollte er in seine Nähe kommen, wie sollte er es schaffen, den Papst zu töten?
    Die Flamme seines Hasses loderte ungemindert weiter, aber

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