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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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hatte. Er verdankte ihm alles, und er war ihm hörig.
    Als Clemens nahe an ihm vorbeiritt, zwang sich Henri zur Besinnung. Er drehte sich zur Seite, denn der Papst kannte ihn von Angesicht. Diese Tatsache würde seinen Plan nicht erleichtern, das wusste er. Aber sicher fiel ihm irgendeine Verkleidung ein. Vielleicht ein blaues Federkostüm mit roten Bändern, die daraus wie Flammen des Hasses hervorzüngelten, mit einer grotesken Tanzmaske auf dem Kopf, die alle Dämonen anlockte, um sie auf den Papst zu hetzen!
    Wenn die Stunde kam, würde ihm schon etwas einfallen!
    Zum Greifen nahe ritt der Papst auf seinem Schimmel, der mit Bändern und Glöckchen und einer Satteldecke aus Goldfäden geschmückt war, an ihm vorüber. Der von sechs Begleitern gehaltene Baldachin schwankte kaum über ihm. Pfeil und Bogen, dachte Henri, könnten jetzt das Werk der Rache leicht ausführen. Warum war er darauf nicht vorbereitet! Aber nein, ein Pfeil aus dem Hinterhalt kam für ihn nicht in Frage. Henri hasste Hinterhalte. Und außerdem: Konnte er Clemens in aller Öffentlichkeit töten? Selbst wenn es ihm gelingen würde, der rasenden Menge zu entkommen, würde man ihn dann im ganzen Land als Mörder von Angesicht kennen. Und ihn erbarmungslos jagen, bis man ihn zur Strecke gebracht hatte. Nein, so diente er der Sache der Templer nicht.
    Beim Tod des Papstes durfte es keine Zeugen geben. Nur Gott allein würde anwesend sein und den Täter kennen. Und er würde ihn, Henri, beim Jüngsten Gericht aburteilen, wenn er zu dem Beschluss kam, dass die Ermordung des Frevlers der Kurie eine Sünde gewesen war.
    Es war allein Gottes Ratschluss. Alles lag in seiner Hand. Er selbst, Henri de Roslin aus der Grafschaft Midlothian, war nur das ausführende Organ der gerechten Rache.
    Aber da war noch das Gelöbnis, der Schwur, der ihn an den Papst band. Henri wand sich in Qualen, wenn er daran dachte. Würde er im entscheidenden Augenblick die Kraft besitzen, sich wirklich davon zu lösen? Er wusste es nicht.
    Oder konnte ein anderer an seiner Stelle die Tat ausführen?
    Nein, das war unmöglich.
    Er ganz allein musste es tun. Kein anderer war dazu in der Lage.
    Und als er dies dachte, fühlte er eine so starke innere Kraft, dass er glaubte, er sei beinahe schon im Begriff, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
     
     
    Zehn Tage lang blieb der Papst in Avignon. Henri de Roslin hörte auf dem Marktplatz davon sprechen. Er hatte also nicht viel Zeit, seinen Plan reifen zu lassen.
    Ein Gedanke nahm in seinem aufgewühlten Inneren immer festere Form an.
    Er durfte nicht mehr zögern. So klug der Mord auch vorbereitet sein musste, damit nicht noch mehr Unheil über die Menschen kam, so sehr musste er bestrebt sein, die Tat hinter sich zu bringen. Denn er befürchtete, die Qual seiner Skrupel könnte ihm noch einen Strich durch die Rechnung machen. Je länger er Gelegenheit hatte, sich den Mord an Clemens vorzustellen, desto lauter wurde die warnende Stimme seines Gewissens.
    Auf den Entschluss einer unbedingt schnellen Ausführung des Attentats kam er am frühen Morgen. Gleich nach Sonnenaufgang war er zum Dominikanerpalast geritten. Er hoffte, dort Gottfried von Wettin zu treffen, von dessen Ankunft er gehört hatte. Der geheime Tempelritter aus Deutschland, den er kurz vor Millau verlassen hatte, war vom Besuch des dortigen Präzeptors Jean de Chalon nach Avignon zurückgekehrt, denn die Dominikaner, in deren Händen die Inquisition lag, waren noch immer seine Brüder. So hatte er selbst gesagt.
    Henri erhoffte sich von Gottfried Unterstützung für seinen Plan.
    Wie erstaunt war er, als ihn im Palast ein unvermutetes, abstoßendes Geschehen erwartete.
    Ein Kardinal war drei Tage zuvor gestorben. Nachdem man seinen Leichnam vor dem Palast öffentlich aufgebahrt hatte, um allgemeine Teilnahme zu erwecken, mussten nun wegen der täglich zunehmenden Hitze ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden. In einem der vielen Innenhöfe hatten Mönche damit begonnen, das hinfällige Fleisch des Verstorbenen durch Kochen von den Knochen zu lösen, um diese im Dom als Reliquien verehren zu können.
    Henri hatte schon davon gehört, das Herz eines herrschaftlichen Toten sei getrennt von der einbalsamierten Leiche an einem Ort persönlicher Gefühle begraben worden. Aber der Anblick der auf dem Feuer stehenden Zinkwanne, in dem ein nackter, weißer Leichnam lag, der sich im brodelnden Wasser langsam auflöste, ließ seinen Magen rebellieren. Die Mönche verjagten ihn

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