Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
Vom Netzwerk:
Stoff erzeugt nichts Neues, er verstärkt nur alles, was ohnehin schon vorhanden ist. Edle Metalle, aber auch ein menschliches Leiden der Organe und ihr jämmerliches Versagen, eine Niedergeschlagenheit ebenso wie Liebesgefühle – einfach alles.«
    Henri fragte: »Können wir diese Tinkturen herstellen?«
    »Ich gebe Euch den besonderen Lehm und die Weiße Tinktur. Die Rote Tinktur müsst Ihr, damit sie wirkt, selbst mischen. Uthman ist Sarazene. Die arabische Chemie besitzt alle Geheimnisse, die zur Herstellung notwendig sind, er muss sie eben herausfinden, denn das Werk gelingt nur, wenn man sich darin bewegt.«
    »Das werde ich!«, erwiderte Uthman aufgeregt.
    »Die Weiße Tinktur. Eine Unze Silber kalzinieren und zu einem weißen, geschmacklosen Oxyd brennen. Das geschieht, indem Silber in einem warmen Tiegel mit Quecksilber amalgamiert und dann mit Essig und Salz verrührt wird. Ingwer, Salmiak, Silberglätte und Bleiweiß werden in gleichen Teilen zugesetzt. Dann wird es gewaschen, durch ein Tuch gedrückt und zwölf Stunden im Ofen unter Zusetzen von Salz destilliert. Für die Rote Tinktur braucht es nur noch einen kleinen weiteren Schritt. Er gelingt, wenn Euer Werk gerecht ist.«
    Uthman entgegnete: »Aber dazu braucht man ein Destilliergerät und einen Brennofen! Wo gibt es in Avignon so etwas?«
    »Ihr wollt das Mittel in dieser schlimmen, gottlosen Stadt herstellen, in der selbst die Pferde der Kirchenfürsten goldene Hufbeschläge haben? Dann kann es nur einen furchtbaren Zweck haben, zu dem ich Euch nicht helfen kann.«
    Ratlos blickte Henri seinen sarazenischen Freund an. Der zuckte die Schultern. Henri sagte:
    »Wenn Ihr es uns befiehlt, verlassen wir Avignon und stellen das Rote Pulver woanders her. Wo könnte das sein?«
    »Nun, ich kenne einen Ort an der Rhone – ein Fluss übrigens, der alle Geheimnisse mit sich führt, über die ein Alchemist unbedingt Bescheid wissen muss. Im genannten Ort gibt es ein Destilliergerät und einen Brennofen.«
    »Würdet Ihr uns den Namen des Ortes nennen?«
    »Er heißt Montfaucon.«
    Hellhörig geworden sagte Uthman schnell: »Das Montfaucon in der Nähe der Festung von Roquemaure?«
    »Dasselbe.«
    Die Gefährten tauschten einen viel sagenden Blick.
    »Ihr gebt uns also die Grundsubstanz und die Weiße Tinktur mit auf den Weg?«, fragte Henri.
    »Kommt morgen zur gleichen Zeit wieder. Dann habe ich es.«
    »Und Ihr könnt uns nicht sagen, welcher Schritt zur Roten Tinktur führt?«
    »Nur so viel. Diese Masse wird mit einer Silberlösung zu einer Masse eingedickt, es ist jene Masse, die auf glühendem Kupferblech wie Wachs ohne Rauch fließt. Und danach braucht Ihr nur noch den entscheidenden letzten Zusatz.«
    »Ich werde es mir merken«, meinte Uthman skeptisch.
    »Könnt Ihr uns auch eine Empfehlung für die Besitzer des Brennofens mitgeben?«, wollte Henri wissen.
    Der alte Gelehrte und Alchemist sagte betrübt: »Ich weiß, Eure Absichten vermindern den Frieden in der Welt nicht. Aber ich werde es dennoch tun. Wenn ein Sarazene und ein Christ zusammen gehen, muss es etwas Besonderes geben, das sie vereint. Kommt morgen wieder.«
    Beim Hinausgehen wendete sich Uthman noch einmal um. Bruder Raimundus saß zusammengesunken auf seinem Schemel, und sein knorriger Finger fuhr über die handkolorierten Signaturen und Reihen von Schriftzeichen des vor ihm aufgeschlagenen Buches. Uthman fragte:
    »Sagt mir nur noch eins. Könnt Ihr wirklich Gold machen?«
    »So wie die neuen Bauhütten Mauern errichten, die durchlässig sind! Lest diese meine Schrift Clavis Raimundi, darin steht alles.«
    »Könnt Ihr es uns nicht von Angesicht zu Angesicht sagen?«
    »Natürlich. Nichts ist leichter als das. Und nichts verwerflicher.«
     
     
    »Hast du dir alles gemerkt, Uthman?«, fragte Henri bang, als sie den Alchemisten wieder verlassen hatten.
    Uthman murmelte nachdenklich: »Die Masse wird mit einer Silberlösung zu einer Masse eingedickt, es ist jene Masse, die auf glühendem Kupferblech wie Wachs ohne Rauch fließt. Das habe ich wortwörtlich schon einmal gehört. Wenn ich mich nur erinnern könnte, wo.«
    »Das ist egal. Glaubst du, ein solches Rezept herstellen zu können?«
    »Ich werde gleich in meinem Brevier nachschlagen. Denn natürlich habe ich auch alchemistische Schriften.
    Sie bauen nur nicht auf der Grundlage auf, denn die ist geheim, und nur Alchemisten kennen sie. Was uns Raimundus verriet – und wenn er es in Weißes Pulver umsetzt –, können wir

Weitere Kostenlose Bücher