Der König muß sterben
die Anhänger des Propheten Muhammad zu Christen bekehren und Gold herstellen, um damit einen neuen Kreuzzug zu bezahlen. Später verstand ich, dass wir von ihnen mehr lernen können als umgekehrt. Es gibt jedenfalls keine Rangfolge der Menschen.«
»Mein tief verehrter Freund Uthman ibn Umar, der Euch besser kennt als ich, verriet mir, dass Ihr Stoffe umwandeln könnt. Und dass Ihr Stoffe herstellen könnt, die keine Spuren hinterlassen.«
Bruder Raimundus blickte ihn offen an und nickte. »Ich bin Alchemist. Wir sind in Frankreich keine Verfolgten, im Gegensatz zu anderen Ländern.«
»Wenn ich Euch nun fragte, ob Ihr einen Stoff destillieren könntet, der tötet, was würdet Ihr darauf sagen?«
Bruder Raimundus blickte noch immer unbeeindruckt, nur seine Augen hatten womöglich einen noch dunkleren Schimmer bekommen.
»Jeder kann ein solches Gift brauen. Nehmt allein den Saft des Stechapfels datura stramonium, der Tollkirsche atropa belladonna oder des Schwarzen Bilsenkrauts Hyoscyamus niger – und Ihr habt alles, was Ihr benötigt.«
»Es soll keine Spuren hinterlassen.«
»Dann wird es schon schwieriger.«
»Alchemisten kennen sich wohl eher mit Gold aus…«
Bruder Raimundus zögerte. »Ich kann einen solchen Stoff herstellen.«
»Würdet Ihr uns in die Geheimnisse eines solchen – Giftes einweihen?«
»Ihr meint, ob ich Euch dieses Gift überlassen würde?«
»Ja.«
»Nein.«
Henri zuckte zusammen. Hatte er sich zu weit vorgewagt? Der Alchemist schien alles andere als ein Teufelspartner zu sein, wie er angenommen hatte, er wirkte gottesfürchtig. Und damit war er ein Untertan des Papstes. Henri nahm sich vor, seine Identität in keinem Fall preiszugeben. Noch bevor er eine weitere Frage stellen konnte, sagte Uthman:
»Es würde mir genügen, wenn Ihr mir die Grundsubstanzen nennt. Die arabische Medizin kennt durchaus gewisse Wege, die mir bekannt sind, um einen wirkungsvollen Stoff jener Art zu mischen.«
»Dann tut es!«
»Die Grundsubstanzen!«
Bruder Raimundus stand auf. Nach einem Moment des schweigenden Umhergehens blickte er auf seine Besucher, als wolle er in ihr Innerstes eindringen. Dann sagte er:
»Ich bin kein gewöhnlicher Giftmischer, ich bin Alchemist. Geht zu einer Hexe.«
»Wir sind zu Euch gekommen, Bruder. Wir wissen, dass ein Alchemist ein besonderes Verhältnis zu den Stoffen hat.«
»Salpeter, Schwefelsäure, ein besonderer Lehm und Hitze.«
Ratlos blickte Henri ihn an. »Ich verstehe das nicht ganz…«
»Salpeter, Schwefelsäure, ein besonderer Lehm, Hitze!«
Uthman sagte: »Alaun und Quecksilber?«
»Kommen erst später dazu, ebenso wie andere Stoffe.«
»Und was meint Ihr mit dem besonderen Lehm?«
»Es ist Prima Materia, der Grundstoff Merkurius. Es ist nicht nur ein Stoff, er stellt die Verbindung von Natur und Geist dar, deshalb ist er ein philosophischer Stoff. Ich kann ihn Euch anrühren, wenn Ihr ihn zu würdigen wisst. Wie er sich zusammensetzt, darf ich nicht verraten. Denn es ist das Geheimnis des Königs Robert von Neapel, der es unter dem Siegel der Verschwiegenheit, zu dem alle Alchemisten verpflichtet sind, an mich weitergab.«
»Sagt mir nur eins – gibt es den Stein der Weisen wirklich?«
Bruder Raimundus brummte in sich hinein. Dann sagte er mit verständlicher Stimme: »Immer wollen sie nur das wissen. Als würden die Menschen dadurch glücklicher. Sie werden es nicht! Sie werden dadurch eher unglücklicher! Es sei denn, sie nehmen dieses Geheimnis mit ins Grab, ohne es zu verraten! Nur so kann man damit seinen Frieden machen!«
»Ich verstehe. Dann verratet uns bitte die Zusammensetzung des feinen Stoffes, mit dem der besondere Lehm, Euer philosophischer Merkurius, verbunden werden muss – soweit Ihr es verantworten könnt.«
»Ich will aber nicht wissen, wofür Ihr es benötigt! Und es darf niemand erfahren, dass Ihr mit mir gesprochen habt. Ich kenne Euch nicht und habe Euch nie gesehen. Auch unter der Folter dürft Ihr unsere Begegnung nicht preisgeben. Habt Ihr verstanden?«
Uthman nickte ergeben.
»Der philosophische Merkurius, der Urstoff, darauf kommt es an. Darüber darf kein Alchemist sprechen. Aber die anderen Teile? Was sind die beiden perfekten Metalle? Gold und Silber. Gold ist der Vater aller Dinge, Silber die Mutter. Jetzt benötigt Ihr noch die Weiße Tinktur und die Rote Tinktur zur Verfeinerung der Metalle. Wir erhitzen alles, und wenn es wieder zu Pulver erstarrt, könnt Ihr es mit dem Merkurius mischen. Der
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