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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Eigenschaften sofort.«
    »Das ist unser Stoff, Uthman!«
    »Alles zusammen könnte das spurlose, geschmacklose, unsichtbare Gift ergeben. Aus unserer Phiole könnte ein einziger Tropfen genügen, um mehrere Päpste auszulöschen…«
    »Einer genügt! Es geht nur um Clemens. Die ihm nachfolgenden Päpste sollen lange genug leben, um in Gottesfurcht und in Respekt vor dem Leben zu erstarren.«
    »Medizin und Alchemie liegen so eng zusammen. Die Schrift besagt, das abgewandelte Rezept führe auch zum Tingieren von Gold! Nur ein einziger weiterer Zusatz, der mehr als ein Dutzend Multiplikationen erzeugt – und wir haben Gold.«
    »Wir haben bereits Gold, Uthman. Ich sage doch, wir brauchen kein weiteres. Gold ist die Galle heidnischer Götter, das denke ich inzwischen. Und doch schmücken sich unsere Kirchenfürsten damit.«
    »Mit dieser Meinung bist du ein toter Mann!«
    »Ein Tempelritter wie ich ist aus vielen Gründen ein toter Mann, mein Freund.«
    »Eine siebenmal destillierte Mischung…«, sinnierte der Sarazene, wieder über sein Buch gebeugt. »Wachs ohne Rauch…«
    Henri machte eine unglückliche Miene. »Lass es uns hinter uns bringen. Mir ist mittlerweile mit diesen ganzen Essenzen und dem Pulverzeug unwohl zumute. Ist das nicht wirklich Hexerei und Teufelswerk? Nur zu sehr trifft mich noch immer der Vorwurf der königlichen Anwälte, wir Templer hätten bei unseren Treffen, um uns Mut für ekelhafte Praktiken zu machen, eine geheime Essenz getrunken, die aus der Totenasche verstorbener Mitglieder und unehelicher Kinder der zur Keuschheit verpflichteten Templer gewonnen war. Mit der Beschuldigung von Schwarzer Magie kann man in unseren Tagen jeden Gegner zu Fall bringen.«
    »Was wir machen, ist etwas ganz anderes, Henri de Roslin«, sagte der Sarazene streng. »Und du weißt das.«
    »Ja, ja…«
    »Wir brauchen Zeit.«
    Henri schüttelte die unguten Gedanken ab und straffte sich. »Zeit haben wir nicht. Das Gift muss so schnell wie möglich fertig werden. Wir holen morgen den Merkurius und das Weiße Pulver des Raimundus, und dann machen wir uns auf den Weg nach Montfaucon – solange wir noch können.«
    »So sei es.«
     
     
    Als Uthman ibn Umar und Henri de Roslin nach Einbruch der Dunkelheit bei Bruder Raimundus eintrafen, erlebten sie eine Überraschung.
    Der alte Mann sprach mit jemandem. Er rief mit schneidender Stimme in den Raum hinein: »Mare fingerem, si Mercurius esset!« (Ich verwandle das Meer selbst dann in Gold, wenn es aus Quecksilber wäre.) Aber so angestrengt die Angekommenen auch versuchten, die nur von einer Wandfackel beleuchtete Stätte des Alchemisten mit Blicken zu durchdringen, sie konnten keinen weiteren Menschen entdecken.
    Als Henri sich beim Eintreten räusperte, schien Bruder Raimundus in die Wirklichkeit zurückzukehren. Er machte eine Geste, als verscheuche er jemanden, und stand dann so schnell, wie es seine alten Knochen zuließen, von seinem Schemel auf, der hinter ihm umstürzte. Mit nun brüchiger Stimme sagte er:
    »Nun, ich wartete schon auf Euch. Ich habe meine Arbeit getan.«
    Er führte seine Besucher zu einem Wandschrank. Hinter einem Vorhang standen neben etlichen Werkzeugen, neben Stößeln und Mörsern, Reagenzgläsern und Schläuchen, zwei Tiegel. Wortlos nahm Bruder Raimundus sie heraus und füllte etwas davon in einen kleinen Lederbeutel. Er zog dessen Schnur zusammen und reichte ihn Uthman.
    »Er ist stabil geblieben, nicht flüchtig wie Quecksilber – das ist das Entscheidende. Nehmt diese halbe Unze des philosophischen Stoffes eines alten Alchemisten und verändert die Welt damit zum Guten! Aber wenn Ihr das Gegenteil davon bewirkt, dann wird Euch der Stoff in dem Moment vernichten, in dem Ihr ihn anwendet.«
    »Wir danken Euch, Meister«, sagte Henri.
    »Habt Ihr auch die Empfehlung für die Öfen in der Stadt Montfaucon?«, fragte Uthman.
    »Ich schrieb sie auf diesen Zettel. Hier. Sie wird Euch wie ein Schlüssel die Tore öffnen.«
    »Inshallah!«, sagte Uthman. »Allah sei mit Euch auf allen Euren Wegen!«
    »Nun geht!«
    Beim Hinausgehen drehte sich Henri noch einmal um, um sich zu verbeugen. Er sah, wie Bruder Raimundus in Abwehr die Arme erhoben hatte und heftig winkte, als wolle er etwas, das sich im dunklen Hintergrund des Gewölbes befand, zurückdrängen. Henri ging schnell hinaus. Auf der holprigen, von Hundekot übersäten Straße erwartete ihn Uthman, der so stolz aussah, als hätte Sultan Saladin die Schlacht um Jerusalem gerade

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