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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Hexenlachen, wie Henri es sich vorstellte.
    »Jetzt müssten wir es noch ausprobieren können«, meinte Henri. »Aber ich möchte nicht, dass irgendeine Kreatur leidet, auch keine nichtswürdige Ratte. Alles ist für Clemens bestimmt.«
    »Ich wusste es!«, meinte die Frau von Chalois.
    Der Kerkermeister bekreuzigte sich. Henri de Roslin hätte in den Boden versinken können vor Scham darüber, dass er ihr Ziel verraten hatte. Mit dem Instinkt des Tempelritters wollte er zum Knauf seines Schwertes greifen, aber ein schneller Blick auf die Frau und Moreau belehrte ihn darüber, dass sie das Geheimnis hüten würden. Moreau nickte leise vor sich hin.
    Uthman wischte sich die Stirn. »Der Dank Allahs und mein eigener bescheidener Dank seien Euch gewiss, liebe Helfer!«, sagte er. »Wir haben nun, was wir brauchen. Und deshalb ziehen wir sogleich weiter. Ein Dank auch den Alchemisten, die hier früher gearbeitet haben – übrigens, was wurde aus ihnen?«
    »Brave Goldschmiede im Osten des Landes.«
    »Geschah das freiwillig?«
    Der Kerkermeister lachte bitter. »Seht es, wie Ihr es sehen wollt. Man warf sie in den weißen Turm und zeigte ihnen die Folterwerkzeuge.«
    Uthman meinte: »Die Öfen sind jedenfalls herrlich!«
    Sie entlohnten die beiden Zurückbleibenden fürstlich. Uthman wusch sich anschließend, auch Henri tauchte den Kopf lange in einen Waschzuber und erblickte danach auf der zitternden Wasseroberfläche sein sonnengebräuntes, noch junges Gesicht, das noch immer einen Bart zierte, der ihm durchaus vorteilhaft stand. Er beschloss, sich nicht eher zu rasieren, als bis Clemens vergiftet am Boden lag.
    Eine Stunde später verließen sie Montfaucon.
     
     
    Das Château von Roquemaure war der bedeutendste Stützpunkt der königlichen Ritterschaft in der Grafschaft Cote du Rhone. Die Herren waren in der vorletzten Generation noch Raubritter gewesen, jetzt frönten sie nur mehr der Jagd mit abgerichteten Falken. In den dicken Mauern der alles überragenden königlichen Festung fühlte sich der Papst so wohl, dass er öfter hier als in Avignon weilte.
    Als hätte er jedoch eine Vorahnung kommenden Unheils besessen, war der Papst von Gnaden des französischen Königs auf der Rückreise von Avignon bei seinem alten Freund, dem Ritter Guillaume Ricard, abgestiegen. Hier, am Rand der Stadt Roquemaure, verfügte er einen Zusatz zu seinem schon zwei Jahre zuvor verfassten Testament. Er fühlte sich unwohl. Seine Ärzte scharten sich um ihn und ließen ihn zur Ader. Außer diesen bekam ihn in diesen Tagen nur Ricard zu Gesicht.
    Henri und Uthman hörten davon, als sie in dem winzigen Ort Saint-Laurent-des-Arbres abstiegen. Ihr Wirt war ein zum Christentum konvertierter Maure aus Granada und zeigte sich so erfreut, mit Uthman arabisch sprechen zu können, dass er die Grenzen des Schicklichen vergaß. Bei der Abendmahlzeit, die aus geräuchertem Wildbret und Würzwein bestand, redete er auf den Sarazenen ein. Der erhielt mehr Informationen, als ihm lieb war.
    Als die beiden Gefährten endlich, es war schon fast Mitternacht, in einer gemeinsamen Stube auf ihren Strohsäcken lagen und sich ausruhten, sagte Uthman:
    »Es ist, als spiele Clemens Katz und Maus. Was geht da vor? Er versteckt sich, reist kreuz und quer, verschwindet hinter dicken Mauern.«
    »Sein leitender Stern, nach dem er sich richtet, ist allein seine Krankheit«, mutmaßte Henri. »Natürlich ist das undurchsichtig und kommt uns wie die Bewegung eines Narren vor. Aber er macht sein Leiden zum Gradmesser seiner Aufenthaltsorte und seiner Taten.«
    »Ich denke, es ist gleich. Wir müssen handeln.«
    »Wie wollen wir vorgehen?«
    »Ich werde bei diesem Herrn Guillaume Ricard vorstellig werden. Habe ich eine Gelegenheit, an einer gemeinsamen Mahlzeit teilzunehmen, nutze ich sie.«
    »Du weißt, der Papst isst nicht zu Abend wie gewöhnliche Leute. Er isst nicht, weil er Appetit verspürt, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Seine Tafel ist immer Anlass der Zurschaustellung, der Repräsentation, beispielsweise, wenn Fremde und Gäste anwesend sind.«
    »Sicher. Ich werde mich herausputzen, mein schönstes Sarazenengewand anlegen und um seinen christlichen Segen bitten. Bin ich etwa nicht der Leibarzt des Muftis von Jerusalem? Ich habe in Cordoba mehr Leute von Leiden geheilt, als du glaubst, mein Freund, denn wenn sie hören, man sei Korangelehrter, halten sie unsereins auch gleich für einen Medicus. Ich kenne die arabische Medizin jedenfalls recht gut.

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