Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
Vom Netzwerk:
Und das stelle ich gleich morgen früh unter Beweis. Dazu muss ich dich um einen Geldbeutel erleichtern.«
    Am nächsten Morgen überraschte ihr Wirt sie mit der Nachricht, die ihm einer der Kutscher erzählt hatte: Der Papst befände sich so wohl wie schon lange nicht mehr, er beabsichtige, nach Avignon zurückzukehren.
    »Verdammt soll er sein! Ist er ein Vagant?! Was zieht er herum wie ein Bettelmönch?!«
    Henri beruhigte Uthman. »Du darfst keine Zeit verlieren. Reite zum Herrn Ricard, kündige dich dort an. Wenn der Papst wirklich nach Avignon zurückwill, wird er für den heutigen Abend ein Abschiedsessen geben. Daran musst du teilnehmen! Das ist unsere Gelegenheit, Uthman! Wenn alles gut geht, stirbt er erst auf dem Rückweg nach Avignon, dann bist du schon in Sicherheit.«
    Eine Stunde später staunte Henri nicht schlecht. Der Sarazene trat vor ihn hin. Er war gewandet in ein Panzerhemd aus eisernen Ringen, die auf einen roten Stoffuntergrund genäht waren. Über einen gepolsterten Stehkragen fiel sein rabenschwarzes, halblanges Haar. Sein Schwert mit der kostbar verzierten Parierstange und das Schwertgehänge wurden von einem golddurchwirkten Umhang verdeckt. Seine Augen blitzten, als zöge er in die Schlacht.
    Henri reichte ihm einen prall gefüllten Beutel mit Goldstücken. »Das hier wird dein Passierschein sein. Gib Acht, dass sie dich nicht für einen Angreifer halten! Und Glück sei mit dir, mein Freund!«
    »Warte hier auf mich, bis ich zurück bin. Sollte das nach zwei Tagen nicht der Fall sein, reite davon und kümmere dich nicht um mich!«
    »Nach zwei Tagen werde ich kommen und dich freihauen, egal, wer sich mir in den Weg stellt!«
    »Nein! Du tust, was ich sage!«
    »Ein Ritter tut nur das, was er sich selbst auferlegt, Sarazene.«
    Uthman ließ sein erregtes Pferd tänzeln. Dann lachte er, hob den Arm zum Gruß und preschte davon.
    Henri stand unbeweglich da und sah ihm lange nach.
     
     
    Eine glühende Sonne am Himmel, kein Schatten den ganzen Tag. Uthman war stramm geritten, um die Entfernung bis zum Ort der Entscheidung so schnell es ging zu überbrücken. Doch jetzt war sein Reittier schweißnass, Flocken weißen Geifers flogen aus seinen Lefzen, und Uthman ritt langsamer, um es nicht über Gebühr zu schinden.
    Er ritt durch Wälder und Flure, aus denen Raubvögel aufflatterten. Dann wieder öffneten sich Felder, die fleißig von Bauern mit hölzernen Ochsenpflügen bestellt wurden. Es war ein fruchtbares Land, und der Sarazene erinnerte sich, dass Henri ihm erzählt hatte, wie Tiere, Werkzeuge und Saatkorn, die in der Ackerwirtschaft der Provinz gebraucht wurden, unter dem Schutz der Templer, der Hüter des Gottesfriedens, selbst in Kriegszeiten unbehelligt blieben. Einmal kam er durch einen kleinen Weiler, in dem zwei alte Frauen bei seinem Anblick auf die Knie fielen und ein Stoßgebet zum Himmel schickten. Hunde wagten es nicht, sich dem Pferd zu nähern, sie zeigten knurrend ihr Gebiss und duckten sich in den Staub. Uthman rezitierte stumm einen Vers des Korans.
    Und Allah spricht in der Sure Al-Baqarah, die Kuh, im 191. Zeichen: Tötet sie, wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben, denn die Verführung zum Unglauben ist schlimmer als Töten.
    Der Sarazene erinnerte sich an seinen Vater, der ihn in die Koranschule geschickt hatte. Anfangs wollte er sich wehren. Er wollte kein Koranschüler werden, sondern auf dem Feld der Ehre gegen die Ungläubigen kämpfen, die das Heilige Land überfielen. Aber sein Vater war streng gewesen – und seine Liebe grenzenlos. Der Sohn hatte sich gefügt.
    Und Allah sagt in der Sure Al-Baqarah im 190. Zeichen: Kämpft auf dem Weg Allahs gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen. Doch übertretet nicht. Wahrlich, Allah liebt nicht diejenigen, die übertreten.
    Unser Kampf ist gerecht, dachte Uthman, wir übertreten nicht. Unwillkürlich ritt er noch langsamer. Als sich der Abend herabsenkte, kam in der Ferne die Stadt Roquemaure in Sicht. Die mächtige Höhenburg aus Quadern und rohem Bruchstein erhob sich auf einem Bergkegel, mit einem Burgfried, der in den Himmel zu wachsen schien. Die Festung besaß nichts Prächtiges, eher etwas Drohendes und Mächtiges. Es war ein Anblick wie geschaffen für Kämpfernaturen, denn in dieses Bollwerk zu gelangen schien nur möglich, wenn man sich seinen Feinden vollständig auslieferte.
    Während er jetzt an dem steilen Felsgrat, der parallel zur Rhone verlief, entlang ritt,

Weitere Kostenlose Bücher