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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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seine rituelle Kopfbedeckung eilfertig in Empfang. Wieder die gleiche Prozedur. Wieder spürte Uthman die Kraft der Gegenwehr.
    »Nun auf den Bauch.«
    Als Uthman den Arm niederdrückte, gab er nach, als sei er aus Schmand, der Sarazene konnte ihn ganz hinunterdrücken.
    »Jetzt tiefer, dorthin, wo der Darm sitzt.«
    Die Kraftlosigkeit des Patienten, mit der er die Stellen und Organe seiner geheimsten Pein offenbarte, war für einen erfahrenen Mediziner wie Uthman erhellend.
    »Jetzt auf den anderen Arm.«
    Federnde, kraftvolle Gegenwehr.
    »Wie ich schon sagte, Heiliger Vater. Ihr leidet unter einer Erkrankung des Magens und des Darmes. Auch Verstopfungen dürften Euch nicht fremd sein.«
    »Unsinn!«, rief der Medicus. »Der Heilige Vater ist gesund. Nur sein Blut ist manchmal dunkel, wir kurieren das neben strengster Urinschau und Verabreichung von Heilwasser durch fortgesetzten Aderlass.«
    »Das hilft nichts, Magister«, sagte Clemens schwach. »Die Schmerzen bleiben – ständige Schmerzen.«
    »Aber Exzellenz«, stotterte der Arzt. »Davon wusste ich nichts. Ihr sagtet doch…«
    »Ich kenne das Heilmittel«, sagte Uthman gefasst. »Aber ich verrate es nur dem Papst selbst. Und ich muss ihn dazu noch einmal gründlicher untersuchen.«
    Clemens dachte kurz nach, dann sagte er mit entschlossener Stimme: »Ihr folgt mir in meine Gemächer. Die Sitzung hier kann warten. Könnt Ihr mir wirklich helfen, mache ich Euch zu meinem Leibmedicus.«
    Ricard warf ein: »Aber Papst, du kannst nicht allein mit diesem Ungläubigen sein! Ich traue ihm nicht. Wer weiß, was er im Schilde führt. Lass wenigstens mich mitkommen.«
    Uthman sagte: »Es können auch Wachen dabei sein, aber keine Ärzte, sie haben seiner Heiligkeit schon zu viel zugemutet.«
    Der Leibmedicus wollte aufbrausen, aber Clemens hob nur die Hand. »Folge mir, Herr Ricard, du kommst mit. Das genügt. Ihr anderen bleibt hier und wartet auf unsere Rückkehr.«
    Sie durchquerten Gänge, jetzt noch eskortiert von zwei Wachhabenden. In das Privatgemach des Papstes trat nur noch der Burgherr ein.
    Uthman bat den Papst, seinen Oberkörper zu entblößen. Was für eine unerwartete Situation, musste er denken. Ich bin hergekommen, um diesen Mann zu töten. Und jetzt helfe ich ihm. Wenn ich ihm das Pulver gleich verabreiche, dann ist das Werk getan. Aber wenn sie mich gefangen setzen und er stirbt in den nächsten Tagen, dann wissen sie, dass ich es war. Nein, ich muss warten. Das Gift entfaltet sich am unauffälligsten im Essen. Bis dahin muss ich Geduld haben.
    »Media vita in morte sumus!« Die Worte des Papstes rissen ihn aus seinen Gedanken. Ja, dachte Uthman, ich weiß, mitten im Leben sind wir vom Tod umgeben. Und doch wollen wir, dass man uns hilft und uns die Schmerzen nimmt.
    »Aber was ich tun werde, ist kein Akt der Gnade«, sagte Uthman. »Dessen bedürft Ihr nicht, Heiligkeit. Ich werde Euch gesund machen.«
    Clemens sagte: »Kennt Ihr die Geschichte vom reichen Prasser und dem armen Lazarus, Heide? Der Prasser erleidet den Tod im Unfrieden mit sich selbst und mit der Welt, Lazarus hingegen weiß, dass er nichts zurücklässt, wenn er in die himmlische Ewigkeit eingeht. Weder Reichtum noch Ärzte oder Geistliche helfen dem, der den Armen und damit Christus die Hilfe verweigerte.«
    »So ist es gerecht«, warf Ritter Ricard ein und bekreuzigte sich.
    Der Papst zog sich aus, hielt dann aber ein und schien ganz in Gedanken versunken. Uthman wagte nicht, ihn zu unterbrechen. »Und er kam an eine Brücke, unter der floss ein schwarzer, nebliger Fluss mit großem Gestank. Und da er über die Brücke kam, waren da liebliche Wesen, die waren geziert mit wohlriechenden Kräutern und Blumen, darauf wandelte eine Schar weiß gekleideter Menschen, die ersättigten sich an der Süßigkeit der Blumen. Es war aber bei dem Fluss die Prüfung: Welcher Ungerechte hinüberwollte, der glitt in den schwarzen, stinkenden Fluss. Die Gerechten aber gelangten sicheren Schrittes zu dem lieblichen Ort.«
    »Du zitierst die Legenda Aurea, nicht wahr, mein Papst?«, sagte der Ritter Ricard. »Ein schönes Beispiel dafür, dass die Menschen nur hinüberwollen und nicht verweilen.«
    Der Papst nickte andächtig.
    »Und doch, Heiligkeit«, warf Uthman ein. »Wollen wir nicht die Zeit, die auf Erden uns gegeben ist, ohne körperliche Schmerzen verbringen?«
    Erstaunt sagte Clemens: »Für einen Ungläubigen seid Ihr erstaunlich einfühlsam.«
    Uthman betrachtete den weichen, unbehaarten

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