Der König muß sterben
in Bethlehem zu töten. Diese Begebenheit fiel dem Ordensritter Jacques de Charleroi ein, als er im Wald von Bière und Saint-Maxence weilte und auf den Ausgang der königlichen Jagd wartete.
Ritter Jacques wartete schon den zweiten Tag. In der Nacht hatte er unweit des königlichen Zeltlagers in einen Bärenpelz gehüllt im Stehen geschlafen. Jetzt hörte er in der Ferne das Spektakel, und er beschloss, sich unter die Jäger zu mischen. Während er den Wald vorsichtig umrundete, dachte er wieder an die Geschichte des Herodes. Denn jetzt kamen die letzten Tagen des Jahres, wo das Fest der unschuldigen Kinder gefeiert wurde. Es war ein schönes Fest mit Lichterglanz und wunderbaren, traurigen Gesängen. Und trotz seines Grams und seiner Sorge um Henri de Roslin, der als Jude verkleidet den König töten wollte, hätte er in diesem Augenblick gern dieses Fest an der Seite seiner verbliebenen Ordensbrüder gefeiert.
Oh, wie sehr hätte es ihn getröstet!
Aber stattdessen ritt er durch einen winterkalten Wald, der voller bösartiger Feinde war. Und jetzt kamen Lärm und Meute immer näher, in deren Mitte Henri de Roslin eingeschlossen sein musste wie ein gejagtes Tier zwischen seinen Treibern – auch wenn er selbst es war, der jagte.
Jacques de Charleroi saß ab und versteckte sein Pferd. Er sah mit brennenden Augen dem Reitertrupp entgegen. Jetzt konnte er einzelne Männer im Habit des Adels und Jäger in Grün und Braun erkennen. In höchster Spannung versuchte der Templer, Henri zu entdecken. Und wo war der König? Hatte Henri ihn tatsächlich…? Jacques wagte es nicht zu denken.
Der Trupp kam immer näher. Und dann sah der Tempelritter, was geschehen war. Er sah Henri bäuchlings über ein Reittier gelegt, flankiert von Bewaffneten, und er erblickte die Bahre mit dem Körper im königlichen Jagdgewand. Er hat es tatsächlich geschafft, frohlockte Jacques. Aber gleichzeitig zog ihm das Entsetzen das Herz zusammen. Um welchen Preis!
Sie hatten Henri de Roslin in ihren Krallen!
Jacques wollte losstürzen. Ein Tempelritter genügte für eine Rotte von Feiglingen! Aber dann riss er sich zusammen. Er musste besonnen handeln, sonst war Henri verloren. Es hing jetzt ganz allein von ihm ab, ob der Bruder mit dem Leben davonkam. Mit Schaudern dachte Jacques an die Tage und Nächte in den Folterkellern, die auf Henri warteten. Das musste er verhindern!
Er folgte dem Trupp. Sie ritten nach Nordwesten, auf Fontainebleau zu. Aber dann bogen sie plötzlich ab in Richtung auf Poissy. Am breiten Fluss, der Essonnes hieß, schienen sie zu beratschlagen. Schließlich ritten sie wieder nach Osten und näherten sich dem Schloss Fontainebleau.
Jacques sah, dass es aussichtslos war, eine Attacke zu reiten. Sie waren zu viele. Dagegen kam auch ein Tempelritter nicht an. Er folgte den Reitern weiter, mehr konnte er im Moment nicht tun. Und er musste tatenlos mit ansehen, wie sie im Schlosshof ankamen.
Dort teilte sich die Gruppe. Während die eine den toten König ins Schloss begleitete, führte die andere den gefangenen Henri de Roslin zum fensterlosen, dreieckigen Turm. Dort befanden sich wie in jedem Donjon die Verliese.
Jacques de Charleroi überlegte, ob es sinnvoll war, die Gefährten zu alarmieren. Aber er würde zu viel Zeit verlieren. Außerdem hatten sie ausgemacht, sich zwei Tage später in Fontainebleau zu treffen, wenn inzwischen kein Lebenszeichen eingegangen war.
Er musste versuchen, ins Schloss zu gelangen. Er musste versuchen, Kontakt zu Henri de Roslin herzustellen, um ihm Mut zuzusprechen.
Jacques erinnerte sich daran, wie er im Jahr des Herrn 1308 in Aleppo Henri kennen gelernt hatte. Damals hatten sie gemeinsam in einer tollkühnen Aktion gefangene Christen aus einem sarazenischen Kerker befreit. Viele waren dabei gestorben, aber die Rettung war gelungen. Jacques musste daran denken, dass Henris Freund Uthman Sarazene war. Ein Kämpfer! Gemeinsam mussten sie es schaffen, Henri zu befreien, und sei er in der Gewalt des Teufels!
Er beschloss, auf die Gefährten zu warten. Dann würden sie ein kleiner, schlagkräftiger Haufen sein. Er konnte nur beten, dass Henri de Roslin einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang im Kerker überlebte.
Als Henri de Roslin nach Stunden aus tiefer Bewusstlosigkeit erwachte, kündigte ihm der Folterknecht die Ankunft des Generalinquisitors Guillaume Imbert an. Henri hatte in all den letzten Jahren damit gerechnet, einmal erneut dem unbarmherzigsten Verfolger des Ordens
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