Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
Vom Netzwerk:
Sohn?«
    »Incubbus«, sagte Henri, »der kommen wird, um dich zu fressen.«
    Die beiden Kuttenträger am Tisch und der Schreiber schlugen das Kreuz. Einer sagte mit mahnender Stimme: »Wir wissen aber, dass du Henri de Roslin heißt.«
    Die Worte des Kirchenmannes glitten durch Henris Bewusstsein hindurch wie heiße Fäden, die seinen Kopf durchschnitten. Er bemühte sich zu antworten: »Ich habe keinen Namen. Ihr habt ihn mir soeben geraubt.«
    Henri vernahm das Kratzen der Feder des Protokollführers auf Pergament überdeutlich. Er nahm drei Schatten an der Wand wahr, die die Körper der Geistlichen warfen, jetzt gesellte sich auch der vierte des Generalinquisitors hinzu. Die Schatten waren in ständiger Bewegung, mal schrumpften sie zusammen, dann blähten sie sich plötzlich wie große Tiere auf, die über ihn herfielen.
    Einer der Schatten sprach eindringlich zu ihm.
    »Du hast dich des größten Verbrechens schuldig gemacht, das es geben kann. Du hast den König heimtückisch ermordet. Dafür allein hast du zehn Tode verdient. Über deine anderen Verfehlungen als Mitglied des frevlerischen Tempelordens richten wir später. Ist dir klar, dass es für dich keine Hoffnung auf Gnade gibt?«
    »Wir alle finden keine Gnade vor dem Weltenrichter! Unsere Sünden sind zu groß!«
    Die Spindel drehte sich knarrend, Henri stürzte zu Boden. Einen Moment lang fühlte er sich glücklich. Das Glück bestand darin, keine Schmerzen zugefügt zu bekommen. Seine Glieder waren taub.
    Er nahm wahr, dass einer der Kuttenträger aufstand und die Folterknechte beiseite scheuchte. »Das reicht! Verschwindet!« Er trat auf Henri zu und löste ihm Handfesseln und Fußeisen, er tat es so vorsichtig, als wolle er vermeiden, dass der Verhörte auch nur den geringsten weiteren Schmerz erleide.
    Ganz langsam gewöhnte sich Henris gepeinigter Körper an die Bewegung. Mit Hilfe des Kirchenmannes konnte er sich aufsetzen und die Beine ausstrecken, seine Schultern waren nicht ausgerenkt. In ihm kribbelte alles, als das Leben zurückkehrte. Henri spürte den kalten Schweiß, der ihn bedeckte.
    Er blickte sich nach dem Generalinquisitor um. Imbert stand unbeweglich im Halbdunkel.
    »Henri de Roslin. Glaubst du an Gott?«
    Henri nickte nur.
    »Ich deute das als Zustimmung«, sagte die freundliche Stimme des Verhörers am Tisch. »Sagst du auch die Wahrheit?«
    »Ihr gerechten Männer«, sagte Henri. »Ihr wisst, dass ein Templer niemals lügt. Ja, ich bin Henri de Roslin. Und ich bin in Eurer Gewalt. Was ich getan habe, das habe ich dem geschriebenen und dem ungeschriebenen Recht zuliebe getan. Der König musste sterben, weil er ein Mörder war. Sein Tod war ein Akt der Notwehr. Eine andere Schuld habe ich niemals auf mich geladen.«
    »Wir sind hier, um dir das Geständnis möglich zu machen, und es ist schön, dass du die Gelegenheit ergreifst, es zu tun. Du hast Glück. Nicht jedem widerfährt es, gleich drei Beichtväter um sich zu haben.«
    Jetzt trat Imbert in den Lichtschein. Mit scheinheiligem Kummer schüttelte er den Kopf. »Gutes Zureden nützt nichts. Er wird verstockt bleiben. Dabei wollen wir ihm doch nur helfen, seinen Seelenfrieden wieder zu finden. Es ist also besser, wir bereiten ihm weitere Schmerzen.«
    Wieder hantierten sie an ihm, fesselten ihn und zogen ihn auf die Beine. Dann knarrte wieder die Winde. Henri biss sich auf die Lippen, bis das Blut floss. Ich werde ihnen widerstehen, dachte er, und wenn sie mich töten. In sich vernahm er eine Stimme, die sagte: Rette dich, Henri! Nutze die Zeit zur Gewissenserforschung! Bist du nicht tatsächlich voller Schuld?
    »Nein!«, schrie der Gefolterte. »Die wahren Schuldigen seid Ihr! Ihr habt Euch gegen die Menschenrechte vergangen!«
    Dann versagten die Worte. Er wurde emporgerissen und spürte wieder nur das grässliche Ziehen am ganzen Leib, das in einen Laut mündete: Tortur!
    Wieder spannte er mit aller Kraft, die ihm zur Verfügung stand, die Muskeln an. Ein Folterknecht versetzte ihm einen Tritt, Henri geriet ins Schlingern, die Schmerzen wurden unerträglich. Er wurde ohnmächtig.
    Als er wieder zu sich kam, spürte er unter sich den kalten Boden und um sich stinkendes Stroh. Und wieder betraten die drei Kuttenträger in einer gespenstischen Prozession den Raum. Imbert war nicht dabei. Sie setzten sich an den Tisch. Jetzt brannten Kerzen auf einem Leuchter. Wieder stützten ihn die Folterknechte und stellten sich hinter ihn.
    »Wir haben den Eindruck, du bist reumütig, du

Weitere Kostenlose Bücher