Der König muß sterben
Henri traurig.
»Ich bin es mit Seelenqualen, das glaubt mir. Denn in Deutschland wurde unser Orden genauso verboten wie in Frankreich und anderswo…«
»… England, Schottland, Aragonien, Kastilien, Portugal, Neapel.«
»Ja. Und ich hasse den Großinquisitor von Paris, Guillaume Imbert, der unseren Brüdern so übel mitgespielt hat, genau wie Ihr. Aber ich glaube nun einmal inbrünstig und brauche die Brüder im Glauben um mich. Viele Dominikaner sind übrigens wunderbare Menschen.«
Der Fluss war breit und besaß eine kräftige Strömung, aber sein Kieselbett stellte sich als so flach heraus, dass sie ihn mühelos überqueren konnten.
Der gefesselte Bandit schrie hin und wieder nach Wasser. Aber Henri hielt an und stopfte ihm das Maul mit einem Knebel und einem abgerissenen Stück Leinenlumpen. Dann ritten sie weiter.
Der Deutsche sprach nicht viel. Aber nachdem Henri sich bei ihm bedankt hatte, erzählte er: »Ich ritt schon einen ganzen Tag hinter Euch her, Bruder. Ohne Arg oder Absicht übrigens, denn ich will nach Millau und werde Euch dort auch wieder verlassen. In dieser Stadt versteckt sich ein Präzeptor vor der päpstlichen Kommission. Es ist Jean de Chalon, gewiss kennt Ihr ihn.«
»Aber ja! War er nicht zur Zeit der großen Verhaftungen Leiter des Templerhauses von Namur?«
»Derselbe. Ich kenne ihn aus Trier, woher ich komme.«
»Und was wollt Ihr von ihm?«
»Er ist mit dreißig anderen französischen Brüdern seit Jahren auf der Flucht. Sie wurden aufgegriffen, den Untersuchungskommissionen vorgeführt, gefoltert und konnten wieder fliehen. Man sagt, dass der Schatz des Visitators von Frankreich, Hugues de Pairaud, in seinem Besitz ist.«
»Das müsste ich wissen, denn ich war Schatzmeister unseres Ordens und Trésorier des Pariser Tempels.«
Der Wettiner zügelte überrascht sein Pferd. »Jetzt verstehe ich! Ihr seid Henri de Roslin!«
»Ja.«
Der Wettiner streckte ihm sprachlos die Hand hin.
Henri bemerkte einen gerührten Schimmer in seinen hellen Augen. Sie ritten eine Weile stumm weiter.
Die Landschaft wurde in dem Maße immer öder, wie die Hitze zunahm. Der Weg führte an schon grünen Bäumen vorbei endlos geradeaus durch die immergleichen braunen Felder, die offensichtlich von den Bauern nicht bearbeitet wurden. Dann mussten sie wieder einmal eine trostlose Heidelandschaft durchqueren.
Bei Arvieu kamen sie an einen ausgedehnten Lac. Der See war umgeben von baumlosen Wiesen, sie konnten also, ohne einen Überfall zu befürchten, am Ufer lagern.
Sie wuschen sich ausgiebig. Die Pferde soffen das klare Wasser. Jetzt bekam auch der Bandit einen Schluck. Obwohl die Gegend freundlich wirkte, waren die beiden Männer angespannt.
Sie berieten sich.
»Was soll mit dem Räuber werden?«, wollte der Wettiner wissen. »Wenn du ihn weiter mitschleppen willst, isst er nur deinen Proviant weg, außerdem müssen wir seinen Gestank ertragen.«
»Ich behalte ihn als Geisel. So haben wir zumindest eine kleine Gewähr, nicht überfallen zu werden. Wir müssen aber ständig auf ihn aufpassen. Ich lasse ihn erst kurz vor Avignon frei«, entschied Henri.
»Was habt Ihr übrigens vor in Avignon?« Der Wettiner stellte diese Frage mit unschuldiger Miene, aber Henri beschloss dennoch, ihm die Wahrheit vorzuenthalten. Einem Mann, der in der Gemeinschaft der Dominikaner lebte, konnte er sich nicht rückhaltlos anvertrauen.
»Ich muss es für mich behalten«, antwortete er deshalb, nicht glücklich darüber.
An diesem Abend suchte Henri den Gefangenen auf, kontrollierte seine Fesseln und nahm ihm den Mundknebel ab. Der Bandit ächzte und mahlte mit den verkrampften Backenmuskeln. »Wenn du das Maul hältst«, sagte Henri, »erspare ich dir den Knebel. Aber wehe, ich höre ein einziges Wort!«
Der Bandit starrte ihn nur hasserfüllt an und wandte sich ab.
Eine ruhige Zeit folgte. Das Wetter blieb gleichmäßig warm, der Himmel war klar und hoch. Nur einmal fielen ein paar Tropfen. Henri fühlte sich an seine Heimat Midlothian erinnert, wo die Tiefe des Himmelsblaus ihn immer an die Augen einer frühen Geliebten erinnert hatte. Er hatte sie als Jüngling verehrt, bevor er zum mönchischen Tempelritter geworden war. Es war lange her, und Henri seufzte unwillkürlich.
Die Sonnenuntergänge blieben purpurn und rot.
Die Wegelagerer ließen sich nicht blicken. Aber in den Augen ihres Anführers stand manchmal ein so triumphierendes Glitzern, dass Henri Verdacht schöpfte. Was mochten die elenden
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