Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
die Haare gelegt und ihre Gestalten verdunkelt, sodass sich die silbernen Kettenhemden in dem schwächer werdenden Licht scheinbar von allein bewegten – langsam, sehr langsam, wie durch Sirup. Beide Männer humpelten. Roetger hielt seinen Kampfstab nur noch mit der rechten Hand, der linke Arm hing nutzlos herab. Sein Gegner konnte offenbar kaum noch sehen und fuchtelte immer wieder mit dem Stab vor sich durch die Luft wie ein Blinder, der nach einem Hindernis tastet.
    Das Geschrei der Menge, das Adelia gehört hatte, wurde allmählich ungeduldig. Bald würde es dunkel werden, und noch hatte keiner der beiden Kämpen den anderen zu Tode geprügelt. Höchst unbefriedigend. Die Richter fingen schon an, sich zu beratschlagen. Der Gott der Schlacht enttäuschte sie alle.
    Und dann durchfuhr eine jähe Bewegung die Szene auf dem Kampfplatz. Zwei laut knallende Schläge ertönten, fast gleichzeitig, aber nicht ganz. Mit dem ersten traf Master Roetgers Stab wuchtvoll den Kopf seines Gegners und schleuderte diesen zur Seite, mit dem zweiten prallte Master Peters Stab auf Master Roetgers Beine.
    Sobald Sir Geralds Kämpe auf dem Boden lag, machte Roetger einen Satz nach vorn und presste die Spitze seines Stabes auf den Hals des Gegners, drückte ihn fest zu Boden.
    Stille. Eine Stimme krächzte: »Sagt es!« Sie gehörte Roetger.
    Ein Stammeln, Schluchzen.
    »Sagt es! Sagt es laut!«
    »Ergebung.« Ein eigentümlicher Schrei, eine Unterwerfung, die für das Geschöpf, das sie aussprach, das Ende von allem bedeutete.
    Die Menge atmete mit einem Heulen aus, das weniger Jubel für den Sieger war als vielmehr Verachtung für den Unterlegenen.
    Irgendwo gellte erneut die Trompete. Die Richter hatten sich erhoben. Emma war auf die Knie gefallen, die Hände vor dem Gesicht. Vielleicht dankte sie ihrem Gott.
    Adelia achtete auf nichts von alledem, nicht mal auf den verwundeten Roetger, der seinen Stab jetzt als Krücke benutzte, um vom Kampfplatz zu humpeln. Sie beobachtete eine Kreatur, die durch den Sand in den Schatten kroch. »Was wird jetzt aus ihm?«, fragte sie Pater Septimus.
    »Wem? Ach der. Er ist natürlich entehrt. Er wurde öffentlich gedemütigt, hat sich selbst zum Feigling erklärt.«
    Denn genau das bedeutete dieses gestammelte Wort »Ergebung«: die persönliche Vernichtung. Master Peter würde nicht sterben, doch das, was ihn ausmachte, war gestorben. Und der Mann hatte fünf Stunden lang gekämpft.
    Sie waren alle gedemütigt worden.
     
    Master Roetger lag auf einem Tisch im Waffenzelt, und sein Knappe stand hilflos daneben. Ein Arzt betastete unsicher die Gliedmaßen und hob den Kopf, als die Frauen hereinkamen. »Frakturen in Arm und Knöchel. Ich kann eine Salbe applizieren, eine von mir selbst gefertigte fabelhafte Mixtur aus bei Vollmond gewonnenem Krötenblut und …«
    Adelia stupste Emma an, die prompt sagte: »Vielen Dank, Doktor, das wird nicht nötig sein. Wir haben unsere eigenen Salben.«
    »Nicht so heilsam wie die meine, das versichere ich Euch, Mylady. Und wohlfeil, sehr wohlfeil – nur Sixpence für die erste Anwendung, drei für jede nachfolgende.«
    »Nein danke, Doktor.«
    Während Emma den Mann hinausgeleitete, begann Adelia mit ihrer eigenen Untersuchung des Patienten. Roetger biss sich auf die Lippen, gab aber keinen Laut von sich.
    Der Oberarmknochen des linken Arms war zweifellos gebrochen, der Fußknöchel allerdings nicht. Was sie gehört hatte, als Master Peters Kampfstab auf Master Roetgers Fuß traf, war nicht das Brechen von Knochen gewesen, sondern eher ein Knall, als würde etwas zerreißen – kein Geräusch, das sie schon einmal gehört hatte, aber eines, von dem man ihr in der Medizinschule berichtet hatte. Und der Schlag hatte das Bein hinten getroffen.
    Tatsächlich, als sie den rechten Fuß in die Hand nahm, gab er schlaff nach. Sie konnte ihn so weit nach vorne biegen, dass die Zehen das Schienbein berührten.
    »Das ist kein gebrochener Knöchel«, sagte sie. Sie sah Roetger an und dann Emma. »Ich fürchte, es ist die Ferse, die Achillessehne.«
    »Was ist das?«
    »Sie ist … nun ja, wie ein Stück Schnur, das mit der Wadenmuskulatur verbunden ist.« Im Geist sah sie die Sehne in einem sezierten Bein auf dem großen Marmortisch, den ihr Ziehvater für seine Obduktionen benutzte.
    Sie hätte ihnen gerne erzählt, wie wunderbar diese Sehne war, die dickste und stärkste im Körper, die den Fuß offenbar befähigte, sich beim Laufen oder Springen vom Boden

Weitere Kostenlose Bücher