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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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abzudrücken. Und warum sie nach Achilles benannt war, dessen einzige Schwachstelle sie gewesen war, weil seine Mutter ihn an der Ferse festgehalten hatte, als sie ihn in den Styx tauchte, um den übrigen Körper des Helden unverwundbar zu machen. Doch weder Emma noch Roetger waren in diesem Moment an einer wissenschaftlichen Erklärung interessiert.
    »Sie ist gerissen, versteht Ihr«, sagte sie. »Der letzte Schlag muss gewaltig gewesen sein.«
    Der Kämpe riss sich zusammen. »Wie lange?«
    »Sollen wir einfach einen festen Verband anlegen?«, fragte Emma.
    »Ja, genau.« Adelia sah Roetger an. »Die Sehne darf auf gar keinen Fall belastet werden, bis sie geheilt ist, egal, wie lange es dauert …« Sie durchforschte ihr Gedächtnis danach, was der auf Gliedmaßen spezialisierte Lehrer der Schule gesagt hatte – sie selbst hatte diese Art von Verletzung noch nie behandelt. »Das könnte sehr lange dauern, länger als der Bruch in Eurem Arm … vielleicht sechs Monate …«
    Roetgers Augen weiteten sich vor Schreck.
    Emma sagte entsetzt: »Sechs Monate?«
    Adelia packte sie am Arm und zog sie vor das Zelt. »Du kannst ihn nicht zurücklassen. Was soll er denn machen? Wie soll er auf einem Bein nach Deutschland zurückkehren?«
    Emma war empört. »Ich habe keineswegs die Absicht, ihn zurückzulassen. Er wurde in meinem Dienst verwundet. Natürlich werde ich für ihn sorgen.«
    Adelia seufzte erleichtert auf. Die sanftmütige Emma von früher hatte also unter der raueren Fassade der neuen überlebt.
    »Aber er wird mit uns reisen müssen«, sagte die neue Emma schneidend. »Möglicherweise habe ich Verwendung für ihn, wenn wir in Wells angekommen sind.«
    »In den nächsten sechs Monaten wohl kaum.« Adelia zählte auf: »Das ganze untere Bein muss geschient werden. Ein Sud aus Weidenrinde gegen die Schmerzen. Und Beinwell, wir brauchen Beinwell, aber der wächst überall, und wir können nur hoffen, dass er bei Sehnen ebenso gut wirkt wie bei Knochen.« Sie ging zu den Händlern hinüber, die ihre Zelte abbrachen, um sie um ein paar Streben für die Schiene zu bitten.
    Emma rief ihr nach: »Hat er große Schmerzen?«
    »Höllische.«
     
    Als Adelia sich endlich in dem Gasthaus in Aylesbury, in dem sie alle abgestiegen waren, schlafen gelegt hatte, machte sie fast die ganze Nacht kein Auge zu, weil ihr Roetgers Ferse nicht mehr aus dem Kopf ging. Sie hatte ihm fürs Erste eine behelfsmäßige Schiene angelegt, aber die würde nicht genügen, wenn sie die Belastungen einer Reise über unwegsame Straßen überstehen und verhindern sollte, dass ihr Träger mit dem Fuß auftrat, was unter allen Umständen vermieden werden musste.
    Bei Tagesanbruch war sie im Stallhof des Gasthauses und befragte einen verschlafenen Knecht, wo sie wohl Beinwell finden könne. Da jedes County einen anderen Namen für die Pflanze hatte, redeten er und sie zunächst aneinander vorbei, bis dem Mann endlich ein Licht aufging. »Ach so, Ihr meint Schadheilwurz«, sagte er und wies ihr den Weg zu einem überwucherten Fleckchen hinter einem Gemüsegarten, wo sich in den dunkelgrünen Kronen der alten Pflanzen schon ganze Büschel von jungen, lanzettförmigen Blättchen und erste gelbe Blüten zeigten.
    Adelia ging es vor allem um die Wurzeln des Beinwells. Als sie sie mit ihrer Schaufel ausgrub, ärgerte sie sich, keine Handschuhe angezogen zu haben – die behaarten Blätter reizten die Haut.
    Anschließend ging sie mit ihrer Ernte zurück zum Gasthaus, wo sie die Pilger beim Frühstück und tief verstört vorfand. Sie hatten schreckliche Neuigkeiten erfahren.
    »Glastonbury ist niedergebrannt«, sagte der Mann aus Yorkshire. »Aye, das haben gestern Abend zwei fahrende Händler unabhängig voneinander erzählt. Niedergebrannt. Glastonbury.
Glastonbury.
Das heißt, England hat sein Herz verloren.«
    Es war ein Herz, das mehr Jahrhunderte geschlagen hatte, als irgendeiner der Anwesenden sagen konnte, angetrieben von den Heiligsten der Heiligen – dem heiligen Josef von Arimathäa, dem heiligen Patrick von Irland, der heiligen Brigid, dem heiligen Kolumban, dem heiligen David von Wales, dem heiligen Gildas … Und jetzt war es stehen geblieben.
    Im Raum herrschten Fassungslosigkeit und Entsetzen. Ein Handschuhmacher aus Chester brachte zum Ausdruck, was alle empfanden: »Bei so vielen Heiligen hätte doch wohl einer von ihnen das Scheißfeuer löschen können, oder?«
    »König Arthur hätte das machen sollen«, sagte ein anderer. »Wie

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