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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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aller Zauberei entsagen, und dann mögen sie kämpfen, bis der Gott der Schlacht entscheidet oder die Sonne untergeht.«
    Die beiden Kämpfer traten aus einem kleinen Waffenzelt unweit der richterlichen Bänke, sanken vor den Herren auf die Knie und sprachen gleichzeitig: »Höret, Ihr Herren Richter, dass wir an diesem Tage weder gegessen noch getrunken haben und dass wir weder Knochen noch Stein, noch Gras, noch irgendwelches Zauberwerk oder Hexenwerk oder Teufelswerk am Leibe tragen, durch welches das Gesetz Gottes geschmäht oder das Gesetz des Teufels erhöht werden könnte. So wahr uns Gott und Seine Heiligen helfen mögen.«
    Adelia war nur deshalb unter den Zuschauern, weil Emma sie darum gebeten hatte. Sie wäre lieber im Gasthaus bei den Kindern geblieben. Kämpfe waren ihr grundsätzlich zuwider – es war zu mühsam, die Menschen hinterher wieder zusammenzuflicken, vorausgesetzt, sie ließen ihr überhaupt die Chance, indem sie noch lebten.
    Die beiden Männer betraten den Kampfplatz. Beide waren mit einem Schild und einem Stab bewaffnet. Sie trugen ärmellose Kettenhemden, Kopf und Beine waren ungeschützt, und ihre Füße steckten in roten Sandalen – offenbar eine Tradition –, weshalb sie ein wenig lächerlich aussahen, wie Kinder, die sich ohne das passende Schuhwerk als Ritter verkleidet hatten.
    Adelia war erleichtert. Diese Stäbe waren gewiss nicht so gefährlich wie Schwerter, auf jeden Fall weniger blutig. Das sagte sie Emma.
    »In Deutschland benutzt man das Schwert«, erfuhr sie, »aber Roetger kann mit beidem meisterlich umgehen – und die richtige Bezeichnung ist ›Kampfstab‹, meine Liebe.«
    Emma wirkte beunruhigt. Dieses Mal hatte der knauserige Sir Gerald anscheinend nicht gespart. Sein Kämpe war zwar ein oder zwei Zoll kleiner als Roetger und wahrscheinlich auch ein wenig älter, aber die Muskeln an Hals, Armen und Beinen waren furchteinflößend. Ebenso wie das spöttische Grinsen, das Selbstvertrauen und dunkelgelbe Zähne offenbarte.
    Der Deutsche sah im Vergleich dazu schlanker aus, und sein Gesicht war ausdruckslos. Er war ein schweigsamer Mann, aber Adelia hatte ihn während der Reise ins Herz geschlossen, vor allem, weil die beiden Kinder ihn mochten und ihn ständig belagerten: »Master Roetger, Master Roetger.« Er hatte eine Engelsgeduld mit ihnen, schnitzte ihnen Flöten aus Haselzweigen, zeigte ihnen, wie man den Ruf der Eule nachahmte, indem man Luft in die zusammengelegten hohlen Hände blies, riss kleine Stückchen aus einem zusammengefalteten Blatt, sodass es nach dem Auseinanderfalten ein Gesicht hatte.
    »Hat er Kinder in Deutschland?«
    »Ich hab ihn nicht gefragt«, sagte Emma mit mehr Nachdruck, als die Frage verdiente. »Er ist hier, um zu kämpfen. Alles andere interessiert mich nicht.«
    Wieder erklang ein Fanfarenstoß. Master Peter, der für den Beschuldigten kämpfte, warf einen Kettenhandschuh auf den Boden. Master Roetger, der Kämpe des Klägers, hob ihn auf.
    Die Kampfstäbe waren sechs Fuß lang und aus Eichenholz. Die Männer gingen jetzt in Kampfstellung: Eine Hand umfasste den Stab in der Mitte, die andere Hand packte ihn im unteren Viertel, sodass die Hälfte des Stabes zum Zuschlagen diente.
    Nur dass nicht zugeschlagen wurde – zumindest nicht am Anfang. Es gab viel Rumgehüpfe, wenn einer versuchte, dem anderen die Beine unter dem Körper wegzuschlagen, Tänzelei, Gestöhne, lautes Klacken, wenn Holz auf Holz traf, aber keine Körpertreffer.
    Pater Septimus, Emmas Beichtvater, der neben Adelia saß, rieb sich die Hände. »Schön, schön, richtige Kämpen auf beiden Seiten. Wir können uns auf einen feinen Kampf freuen. Das wird Stunden dauern, bis die müde werden.«
    Stunden? Und was geschah, wenn sie dann müde wurden und den Schlägen nicht mehr schnell genug ausweichen konnten? Diese Stäbe waren ziemlich schwer.
    Der Kampf hatte kaum begonnen, und schon war Adelia angewidert davon, angewidert von allem, den Zelten, den Fanfaren, den Wimpeln, den Richtern, der ganzen abgeschmackten Feierlichkeit. Alles hier war besudelt, sie eingeschlossen. Sie dachte an Jesus und dessen schlichte, unprätentiöse Menschlichkeit, sie dachte, dass sie hier Seinen Vater missbrauchten, so wie in allen Gerichtsverfahren, bei denen Gott als Entscheidungsfinder ins Spiel gebracht und auf den Status eines römischen Kaisers herabgewürdigt wurde, der über einem blutbefleckten Kolosseum thronte und den Daumen nach oben oder unten recken sollte.
    Sie

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