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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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beiden nach, die eine groß, die andere klein, wie zwei ungleiche wandelnde Pilze mit ihren weiten Hüten.
    Mansur warf das lose Ende des Seils in die Grube, aber selbst jetzt noch wollte er, dass sie oben blieb. »Es ist nicht angenehm da unten.«
    »Du hast es geschafft, also schaff ich es auch.« Sie wollte sich selbst dort unten umsehen, und nachdem er hinabgestiegen war, folgte sie ihm.
    Die Treppe in der Seitenwand begann tatsächlich zu bröckeln, aber sie war gekonnt angelegt worden, und solange sie rückwärts hinunterstieg und sich am Seil festhielt, immer erst mit dem einen Fuß und dann mit dem anderen die nächste Stufe ertastend, hielt sie ihr Gewicht gut aus.
    Der aufgehäufte Aushub über ihnen verschluckte das meiste Licht. Der Geruch nach Erdreich wurde von einem weniger angenehmen überlagert. Knochenstücke ragten weißgrau aus den Grubenwänden; Holz war als braune Flecken erkennbar. Sie stieg durch Jahrhunderte in die Vergangenheit hinab, passierte die Ebene, in der die sterblichen Überreste der großen Äbte von Glastonbury ruhten. Tiefer, tiefer, vorbei an den Knochen von Männern, die dem gestrengen heiligen Dunstan gedient hatten. Noch eine Schicht, und sie hatte die Ruhestätten der Mönche erreicht, die den Invasionen der Wikinger widerstanden und das Wissen der Christenheit vor ihren Raubzügen bewahrt hatten.
    Dort fanden sie durch Gottes Führung eine alte Kirche, von der gesagt ward, dass Christi Jünger Hände sie erbaut und Gott selbst sie zur Erlösung der Sünden bereitet hatte, und der himmlische Bauherr höchstselbst zeigte ihre Weihe durch mannigfache wundersame Taten und mannigfache Wunderheilungen.
    Das hatte der Historiker William von Malmesbury niedergeschrieben.
    Und jetzt, da Adelias Füße den Boden der Grube berührten, wer konnte da sagen, ob sie nicht vielleicht im Grab eines dieser frühen Nachfolger stand, zu denen auch Josef von Arimathäa gehörte, dessen Hände Jesu Leib vom Kreuz genommen hatten.
    Sie fröstelte.
    Mansurs Stimme drang durch das Halbdunkel. »Kannst du irgendwas von einem Sarg sehen?«
    Sie standen mit dem Rücken zueinander, weit genug entfernt, um sich nicht zu berühren, doch der Duft der Kräuter, mit denen der Araber seine Gewänder aufbewahrte, hob den üblen Geruch auf, der sie beide umgab, und sie war froh, dass Mansur da war.
    »Ich glaube ja«, sagte sie. Das Licht reichte gerade eben aus, um einen leichten Farbunterschied in der dunklen Erde vor ihr zu erkennen. Sie hob die Hand und ertastete einen kleinen Vorsprung, der etwas härter war als das Erdreich ringsherum, doch als sie daran zog, löste sich nur ein kleines Stück von einem größeren Teil, mit dem es verbunden gewesen war. »Kannst du noch mehr sehen? Es wäre gut, wenn wir mehr als nur ein Stück hätten.«
    Himmel, es war fürchterlich hier unten.
    Um sich damit zu trösten, dass über ihnen noch immer frische Luft und Leben war, blickte sie nach oben – und sah, wie das Tageslicht plötzlich ausgelöscht wurde, weil Erdmassen in die Grube gestürzt kamen, um sie zu begraben.

[home]
Kapitel acht
    E r nahm kein Ende, dieser Erdrutsch, der auf ihren Kopf stürzte, ihr die Sicht raubte und den Raum füllte, in dem sie standen.
    Etwas umfasste ihre Taille; Mansur hob sie hoch, schrie: »Wo ist das Seil? Such das Seil!«
    Verzweifelt griff sie ins Leere. »Es ist nicht da.«
    Und dann war es auf einmal doch da – das ganze Seil. Es streifte ihr Gesicht, als es mitsamt fallender Erde nach unten rutschte. Es hatte sich gelöst. Es landete auf ihr.
    Die Lawine hörte auf. Adelia blinzelte sich Dreck aus den Augen. »Puh. Großer Gott, das war knapp! Die Spitze von dem Erdhaufen ist runtergekippt.«
    Sie blickte sich um und sah, dass Mansur fast bis zu den Schultern in Erde steckte. Seine Ellbogen waren in Ohrenhöhe, weil er sie weiter über den Erdmassen hochhielt. Er keuchte vor Anstrengung. »Die Stufen, ich kann sie nicht sehen.« Ihr Körper versperrte ihm die Sicht.
    Sie sah sich suchend um. Die Stufen waren hinter ihr.
    Dann verschluckte ein Schatten das Licht über ihnen, und schwarze Erde verschlang sie erneut, stürzte in rhythmischen, grausamen Kaskaden herab. Sie wurden lebendig begraben.
    »Hilfe!« Kreischend grapschte sie nach der Grubenwand, wie eine Spinne, die in einem plötzlichen Sturzbach rettenden Halt sucht. »Hilfe, oh Gott, helft uns!«
    Der Sargdeckel schloss sich unaufhaltsam über ihnen.
    Sie hörte, wie Mansur anfing zu schreien und dann

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