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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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Glastonbury; per Ausschlussverfahren konnte Adelia somit folgern, dass sie auf dem Tor waren, diesem seltsamen Kegel, dem heiligsten aller Hügel, die sich aus dem Flachland um die Abtei erhoben.
    Verdammt! Sie wollte sich nicht den ganzen Tag in einer Höhle verstecken, bis der Suchtrupp wieder verschwunden war, vor allem nicht mit Eustace darin. Aber sie hatte nicht mit der Erfahrung der Zehnschaft gerechnet. Die Männer waren an Verfolgung gewöhnt; sie mochten ja in vielerlei Hinsicht unwissend sein, aber sie besaßen Fähigkeiten, die sie ihnen niemals zugetraut hätte.
    »Dann schnell«, sagte Will. Er wandte sich ihr zu. »Kopf runter! Ein Schrei, und Ihr seid tot. Sagt das dem Braunkopf.« Er wirbelte herum und herrschte Rhys an. »Ein Mucks von dir, und ich brech dir
und
deiner Scheißharfe den Hals.«
    Die Esel wurden in die Höhle gebracht und der Eingang mit Zweigen getarnt. Es wurde beschlossen, hinunter zum Fuß des Hügels zu gehen, da die Deckung dort besser wäre.
    Der Abstieg begann. Adelia sollte ihn als einen der schönsten Augenblicke ihres Lebens in Erinnerung behalten.
    Mädchen hatten kaum Gelegenheit, richtig Kind zu sein. Ihr Auftrag lautete, möglichst schnell zu einer Frau mit weiblichen Fertigkeiten heranzuwachsen. In Adelias Fall hatte es bedeutet, erst Ärztin und dann Anatomin zu werden. Sie war nicht zu der Ausbildung gezwungen worden – ihre Zieheltern hatten versucht, ihr irgendeinen kurzweiligen Zeitvertreib nahezubringen, aber sie hatte sich nicht beirren lassen; sie wollte studieren.
    Und jetzt wurde ihr hier beim Abstieg vom heiligen Glastonbury Tor zum ersten Mal ein ganz besonderes Geschenk zuteil, sie erlebte die Kindheit eines ganz normalen Jungen vom Lande, der auf Bäume geklettert war und Vogelnester geplündert hatte, der Äpfel aus Nachbargärten geklaut und sich vor einem erbosten Wildhüter versteckt hatte. Oder vielleicht wurde sie, da ihr ja doch Schlimmeres drohte als nur eine strafende Ohrfeige, zu einem Soldaten in Feindesland, der sich im Schutze des Waldes nach Hause durchzuschlagen versucht.
    Was auch immer, sie fand es herrlich.
    Zu Anfang bewegten sich alle schnell, huschten von Baum zu Baum, für den Fall, dass irgendwer im Suchtrupp ebenso gute Augen und Ohren hatte wie Toki. Die Jagdhörner klangen jetzt lauter. Adelia konnte Stimmen hören, die ihren Namen riefen und durch die warme Luft immer näher kamen.
    Nachdem er den Wearyall Hill abgesucht hatte, führte Rowley seine Männer nun geradewegs auf den Hügel zu.
    »Auf den Bauch, Jungs!«, sagte Will leise. Und Adelia fragte er: »Werdet Ihr uns verraten?«
    »Nein.«
    Nur für alle Fälle blieb er dicht bei ihr, das Messer in der Hand. Zwei der anderen Männer gesellten sich zu Mansur und Rhys, bereit, sie zum Schweigen zu bringen, falls sie einen Laut von sich gaben.
    Der Suchtrupp war klugerweise direkt zur Kuppe des Hügels geritten und fing nun an, ihn in großen Spiralen nach unten hin abzusuchen.
    Die Zehnschaft und ihre Gefangenen suchten sich Deckung, krochen weiter, spürten die Erschütterungen der trommelnden Pferdehufe an Händen und Knien.
    Es war wundervoll; es war ein Spiel, es war das Spiel schlechthin. Es war Leben auf einer primitiven Stufe, auf der eine Spezies durch Geschick und Furcht überlebt hatte. Denn während sie weiterkrochen, ging etwas von der Panik der Zehnschaft auf Adelia über, die Angst vor Entdeckung prickelte ihr im Rücken, als hinge ihr Leben ebenso wie das der Männer davon ab, verborgen zu bleiben, während sie zugleich von dem Glück eines wilden Geschöpfes beseelt war, das seinen Lebensraum nutzte. Sie war ein Wiesel, das behände durch duftendes Gras huschte; sie war eine Schlange mit warmer Erde unter dem Bauch. Ein Büschel von hohem Blutweiderich lockte als Versteck, ein Stechginsterstrauch wurde mit Verachtung gestraft.
    Als der Suchtrupp näher kam, wurde sie zur Gesetzlosen unter Gesetzlosen, die Zähne gebleckt, als hielte sie ein Messer dazwischen. Sie hatte nie Verstecken gespielt, doch tief ins Dunkel einer morschen hohlen Eiche gedrückt sah sie zu, wie Rowley kaum mehr als fünf Schritte von ihr entfernt vorbeiritt und ihren Namen schrie – und sie wollte ihm ebenso wenig zurufen, wie ein Eber in seinem Schlupfwinkel geschnaubt hätte, um die Hunde auf sich aufmerksam zu machen.
    Als er vorbei war, blickte sie nach oben, wo Will quer über einem Ast lag. Ihre Blicke trafen sich mit gegenseitigem Respekt, und sie wusste, dass er sie nun,

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