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Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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während er weiterredete, so hielt, dass auch Adelia es sehen konnte. Die Klinge war scharf, keine Frage, aber in der Mitte war eine Scharte.
    »Wann ist das passiert?«, fragte sie.
    Alf öffnete den Mund und fing sich die nächste Ohrfeige von dem Bäcker ein – anscheinend war Eustace’ Messer bei irgendeiner ruchlosen Tat beschädigt worden. »Ist ein Jahr her«, erklärte der Bäcker, »da habt Ihr Euch nicht drum zu kümmern.«
    Mit zusammengekniffenen Augen beugte Adelia sich tief über die Fingerstümpfe der Hand, froh, dass auch Mansur so tat, als untersuchte er sie. Sie bemerkte einen v-förmigen Splitter am Ansatz des zweiten Mittelfingerglieds, wo der Knochen nicht gänzlich durchtrennt, sondern offenbar von irgendetwas losgerissen worden war, das ihn festhielt. Gott, wie furchtbar. Der Schmerz …
    »Ich denke, er hat das selbst getan«, sagte sie auf Arabisch. »Ich denke, Eustace hat sein Messer benutzt, um sich die eigenen Finger abzuschneiden.«
    »Warum?«
    Sie schloss die Augen und stellte sich im Geist eine ausgestreckte Hand vor, dann öffnete sie sie wieder und sah sich noch einmal eingehend die erhaltenen Knochen des kleinen Fingers an. Ja, an einer Seite war er über die gesamte Länge abgeschürft.
    Mansur redete unentwegt weiter.
    »Der Doktor wünscht zu wissen, wie Eustace über die Abteimauer gelangte, wenn er stehlen wollte«, sagte Adelia auf Englisch. »Die war doch vermutlich recht hoch. Ist er rübergeklettert?«
    Der Bäcker polterte: »Wer sagt denn, dass er gestohlen hat?«
    Aber Alf, der rettungslos wahrheitsliebende Alf, den die Lesefähigkeiten des Arabers inzwischen gänzlich in Bann geschlagen hatten, sagte: »Mit dem Bein? Der konnte kein bisschen klettern, unser Nichtsnutz. Der hat sich drunter durchgegraben, jawohl, wie ein verdammtes Kaninchen.«
    Der Hodenkratzer fiel mit ein. »Mann, was hat der alte Bruder Christopher die Kaninchen gehasst. Die haben seinen Kopfsalat gefressen. Oh Mann, hat der die Karnickel gehasst, der alte Bruder Chris, aber eigentlich hat er ja alles gehasst. Der hat für so ziemlich alles Fallen gestellt – Füchse, Maulwürfe, Vögel … Nichtsnutz hat immer über die ganzen Fallen gemeckert. Die haben ihn gestört. Aber er hat gewusst, wo sie waren. Unser Nichtsnutz hat sich von keiner erwischen lassen.«
    Adelia nickte. Kaninchen waren in England noch vergleichsweise neu. Die normannischen Herren hatten sie wegen ihres Fells und Fleisches ins Land gebracht, doch dann waren sie aus den Gehegen ausgebrochen, in denen sie gehalten wurden, und hatten sich rasch allerorts zu einer Plage für Gärtner entwickelt.
    Und sie hatte noch etwas erfahren. Die Männer hier kannten sich gut aus mit den Abläufen in der Abtei und mit den Gewohnheiten der Mönche, die sie vor dem Brand bewirtschaftet und zu schützen versucht hatten. Andernfalls hätten sie wohl kaum das Wild der Abtei jagen und wie Eustace in ihren Gemäuern stehlen können.
    Doch ihr Wissen konnten sie nur aus einer einzigen Quelle geschöpft haben, und diese Quelle war der Laienbruder Peter. Rhys konnte also vom Verdacht der Schwatzhaftigkeit freigesprochen werden. Peter und der Bäcker waren eng verwandt, woran die frappierende Ähnlichkeit zwischen ihnen keinen Zweifel ließ. Durch Peter hatten sie von Mansurs vermeintlichen Fähigkeiten im Umgang mit den Toten erfahren und ihn entführt, ohne an die Folgen zu denken. Als sie ihn nämlich nicht verstehen konnten, waren sie zurückgekehrt, um auch Adelia zu entführen, weil sie seine Sprache sprach.
    »Zeigt uns die Stelle!«, sagte sie. »Master Mansur wünscht zu sehen, wo Eustace auf das Gelände der Abtei gelangt ist.«
    »Und was soll das nützen?«, wollte der Bäcker wissen.
    »Sehr viel.« Adelia zeigte auf Mansur. »Dieser große Knochenleser« – Betone weiter seine Fähigkeiten! – »glaubt nämlich, dass er vielleicht, nur vielleicht, bezeugen kann, dass euer Freund den Brand nicht gelegt hat. Aber zunächst verlangt er zweierlei. Erstens, dass ihr uns beide danach« – ihr fiel wieder Rhys ein, der noch immer traurig vor sich hin sang – »uns
drei
unversehrt gehen lasst. Zweitens, dass ihr uns erzählt, was ihr über unsere Freundin, Lady Emma, wisst.«
    Ein älterer Mann, der bis dahin geschwiegen hatte, sagte: »Hör mal, Will, wir können sie nicht gehen lassen, die verraten uns bestimmt.«
    Der Bäcker hieß also Will. Adelia behielt ihn im Auge. Weil er der Gescheiteste der Zehnschaft war, war er auch der

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