Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König und die Totenleserin3

Der König und die Totenleserin3

Titel: Der König und die Totenleserin3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
zu hören, und stellte sich vor, es wären die von Godwyn oder Hilda, die zum anderen Ende des Ganges eilten, um ihnen auch diese Öffnung zu versperren, aber es war das Pochen ihres eigenen Herzschlags in den Ohren. Wir sind zu tief unter der Erde, um irgendwas anderes zu hören, dachte sie, wieder mit dem Gefühl zu ersticken. Sie wurde langsamer, und prompt stieß Rowley mit dem Kopf gegen sie. Durch den Aufprall rutschte ihr die Laterne aus der Hand und wäre fast zu Boden gefallen, wenn sie nicht nachgefasst hätte, doch dabei verbrannte sie sich die Finger. Großer Gott, ohne Licht hier unten zu sein …
    In der nächsten Nische verharrte sie und setzte sich hin, um zu verschnaufen. Sie reckte den Rücken und lutschte an den verbrannten Fingern. Rowley starrte sie an. »Weiter, Frau, weiter!«
    »Geh du voran«, sagte sie. »Ich muss mich ausruhen.«
    Er ließ sich neben sie sinken – die niedrige Decke des Ganges hatte ihm mehr zugesetzt als ihr. Er betrachtete die Kerze in der Laterne, die schon beängstigend heruntergebrannt war. »He, was ist das denn?«
    Er saß auf irgendwas und holte es hervor – eine schlichte Kiste aus rohem Holz, die mit Stift und Haspe verschlossen war. »Ich glaube, jetzt wissen wir, wo die Wirtsleute ihre Schätze verwahren.«
    Sie nahm die Kiste. Etwas klapperte darin. Vielleicht enthielt sie irgendwas von Emmas Habe. Aber Haspe und Stift waren völlig verrostet und ließen sich nicht bewegen.
    Rowley wurde ungeduldig. »Sollen wir hier seelenruhig sitzen bleiben und kucken, was da drin ist? Weiter, Frau!«
    Sie hielt die Kiste an sich gepresst und folgte ihm wie Eurydike, die hinter ihrem Orpheus hereilte, doch ihr fiel ein, dass
     Eurydike letztlich dazu verdammt war, in der Unterwelt zu bleiben und nie mehr das Licht des Tages zu erblicken.
    Es dauerte zu lange. Falls dieser bestialische Tunnel überhaupt ein Ende hatte, dann waren Godwyn und Hilda längst dort und begruben sie bei lebendigem Leibe, so wie sie Emma, Pippy und Roetger begraben hatten.
    »Was ist?« Rowley fluchte vor ihr.
    »Ich hab mein vermaledeites Schwert in diesem vermaledeiten Keller vergessen. Ich hatte es weggelegt und eine Flasche aus dem Regal genommen.«
    »Ich habe meins.« Sie war versucht gewesen, es wegzuwerfen. Das verdammte Ding hing an dem Strick um ihre Taille und schlug ihr andauernd gegen die Beine.
    »Das verdammte rostige Ding nützt uns nichts.«
    Es hat einen Menschen getötet, dachte sie. Gott, lass mich jetzt nicht daran denken.
    Bislang hatten sie zumindest keinerlei Anzeichen dafür gefunden, dass die drei Vermissten je hier unten gewesen waren. Hatte Millie sie belogen? Nein. Oder wenn doch, so war sie dafür bestraft worden – das Mädchen hatte seine Bewusstlosigkeit nicht gespielt, die war echt gewesen. Es war von dieser Wahnsinnigen niedergestreckt worden wie ein kleines Bäumchen von einer Axt.
    Eine Wahnsinnige. Da oben. Die sie hier unten einsperrte.
    Adelia begann, im Rhythmus ihrer platschenden Schritte zu beten: »Allmächtiger Vater, errette uns! Errette uns, allmächtiger Vater, in Deiner großen Güte, errette uns!« Sie betete zu einem Gott, der für sie wie von selbst den jüdischen und christlichen Glauben ihrer Zieheltern und auch etwas von Mansurs Allah spiegelte.
    Als Kind war es für sie ganz selbstverständlich gewesen, dass der Glaube dieser drei von ihr geliebten frommen Menschen, die einander so schätzten, an dieselbe Gottheit gerichtet war. Und auch jetzt, während sie unter Schmerzen vorwärtsstolperte und schluchzend nach Luft rang, konnte sie nichts anderes denken. Theologie war ihr gerade ebenso fern wie nahezu jeder klare Gedanke. Für sie zählte jetzt nur noch ein Flehen um Hilfe, das durch die Erde hinauf zu den Sternen gerichtet war: Errette uns!
    Alles Licht war gestorben bis auf das der Laterne, die an Rowleys Hand vor ihr über den Boden schleifte. Hilfe beschränkte sich auf den Rand seines Umhangs, an dem sie sich festhielt. Plötzlich stand das Bild seines nackten Körpers im Bett so klar vor ihren Augen, dass sie jähes Begehren empfand, und falls das in diesem verzweifelten Moment gotteslästerlich war, dann konnte sie es nicht ändern, denn hier, in tiefster Not, war es zu süß, um es aufzugeben. Ich habe ihn geliebt, er hat mich geliebt, und das heißt was, bei Gott, das heißt was.
    Als hätte dieser Gedanke Kraft, hob sich die Decke allmählich, sodass ihr Mann sich aufrichten konnte und sie sich mit ihm. Jetzt stieg der Gang an

Weitere Kostenlose Bücher