Der König von Berlin (German Edition)
sie ohne Umschweife zu ihrem Konflikt zurück. Jortz sank auf seinen Bürosessel.
«Das wird Ihnen noch leidtun, Herr Hauptkommissar. Sehr leid! Das können Sie mir glauben.»
Lanner gab sich unbeeindruckt. «Herr Dr. Jortz, sehen Sie den Tatsachen ins Auge und begreifen Sie Ihre Situation. Und Ihre Chance. Für Sie ist noch nichts verloren. Im Gegenteil, genau jetzt können Sie entscheiden, ob Sie als Gewinner oder als Verlierer aus dieser Geschichte gehen. Packen Sie aus. Arbeiten Sie mit mir zusammen, und ich sorge dafür, dass Sie am Ende als Held dastehen. Als der, der mit mir diesen Sumpf trockengelegt hat. Ich kann das problemlos so hindrehen. Wenn Sie kooperieren.»
Dr. Jortz schaute ihn groß an. «Heißt das, Sie bieten mir so etwas wie eine Kronzeugenregelung an?»
«Besser. Viel besser. Wenn Sie mit mir zusammenarbeiten, werden Sie nicht nur ohne Strafe davonkommen, sondern eine Belohnung erhalten. Ich sagte doch: Sie werden ein Held sein! Nach dieser Geschichte können Sie selber einen Bestseller über das Ganze schreiben. Oder schreiben lassen, darauf kommt es dann auch nicht mehr an.»
Dr. Jortz erhob sich, ging zur Tür und öffnete sie. «Ich glaube, es ist besser, wenn Sie gehen. Und zwar ganz schnell.»
Lanner fand, er konnte jetzt wirklich gehen. Wortlos trat er aus dem Büro. Keiner reichte dem anderen die Hand. Als Frau Winkler ihm Jacke und Tasche brachte, drehte er sich noch einmal um: «Ach ja, wissen Sie, was das hier ist, Herr Jortz?» Er zog einen dicken Packen Papier aus der Tasche. «Das hier ist der fünfte Teil der Bachinger-Reihe, dessen Erscheinen Sie gerade zum dritten Mal verschoben haben. Frisch aus Kaminskis Computer. Ist quasi fertig, und ich finde, er ist richtig gut geworden. Wenn Sie auf mein Angebot eingehen, schenk ich Ihnen den!» Dann drehte er sich um, schob den Blätterstapel in die Tasche zurück und trat sicheren Schrittes durch die Tür. Keine Frage, Lanner hatte den Verlagschef endgültig mattgesetzt. Was für ein brillanter Schlusszug.
Dr. Jortz schaute ihm vom Fenster aus nach. Dann rief er Birtes Mann an.
A ls Lanner in die Coffee Lounge vom «Style-Fish» am Tauentzien kam, war er natürlich wieder spät dran. Der Tauentzien war zwar endlich mal eine Straße, die er schnell gefunden hatte, dafür erwies sich hier die Parkplatzsuche als äußerst mühsam. Nach einer Viertelstunde erfolglosen Rumkurvens überlegte er, was eigentlich dagegen sprach, das Auto einfach auf dem Gehweg abzustellen. Es war schließlich ein Streifenwagen. Sicher würde es ihm wüste Beschimpfungen der Passanten einbringen, aber wenigstens hätte dieses unselige Gefährt dann einmal seine Lebensqualität erhöht. Er parkte auf dem breiten Bürgersteig und ärgerte sich, das nicht schon früher getan zu haben. Wahrscheinlich war er einfach zu höflich für diese Stadt.
Der «Style-Fish» war ein kleiner, schmaler Klamottenladen, spezialisiert auf eine Kundschaft, zu der Lanner nicht gehörte, der er genau genommen sogar ziemlich fern war. Ein Laden mit trendiger, recht preisgünstiger Mode für eine eher junge Klientel aus aller Welt. Solche angesagten, unabhängigen Fashionstores gab es zwar mittlerweile reichlich im schicken jungen Berlin, im sanierten Osten und in Mitte, erst recht in Kreuzberg, aber hier zwischen KaDeWe und Europa-Center, im Zentrum des knorrigen, alten Westberlins, wirkte so ein Geschäft wie ein Rollmops auf der Dessertkarte.
Der eigentliche Verkaufsraum lag im Untergeschoss, in dessen hinterster Ecke sich wiederum eine kleine Coffee Lounge befand, von der aus man, umtost von lauten und harten Beats, jungen Mädchen beim Aussuchen und Anprobieren zugucken konnte.
Vor gut einer Dreiviertelstunde, kurz nachdem Lanner aus dem Verlag raus war, hatte ihn Georg Wolters spontan zu einem dringend notwendigen Treffen bestellt. In der «Style-Fish»-Coffee Lounge. Lanner bemühte sich, nicht darüber nachzudenken, warum er ausgerechnet diesen Ort gewählt hatte. Georg verriet es ihm gleich nach seinem Eintreffen von sich aus: Er kannte die Frau hinter dem Tresen und bekam hier den Kaffee günstiger, manchmal sogar umsonst. Außerdem wäre diese Mini-Coffee-Lounge ein Ort, wo sie garantiert niemand vermuten und deshalb auch nicht beobachten würde. Das wäre gewiss von Vorteil, raunte Georg im Stil von Mister X, dem geheimnisvollen Buchstabendealer aus der «Sesamstraße», denn was sie zu besprechen hätten, wäre ja doch sehr vertraulich und ihre Zusammenarbeit
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